6. Oktober 2017

Nationalratswahl, Bildung und die Parteien: ein ernĂŒchterndes Fazit

2018-05-21T10:27:54+02:0006.10.17, 19:09 |Kategorien: Bildung, Nationalrat, Wahlkampf|Tags: , , , , , |

Bildung wird im laufenden Wahlkampf viel zu wenig diskutiert. Deshalb haben wir uns entschlossen, eine Sondersitzung des Nationalrats einzuberufen, denn die Bildungsreform ist fĂŒr uns bei weitem nicht abgeschlossen. Mit einer MachtĂŒbernahme durch ÖVP und FPÖ sind in den nĂ€chsten Jahren wohl RĂŒckschritte im Bestreben nach mehr Chancengerechtigkeit, Inklusion, sowie individueller und nachhaltiger Förderung zu erwarten. Nach wie vor stecken wir in einem ideologisch geprĂ€gten Patt, aus dem wir kaum herauskommen. Damit in der Bildung in Österreich etwas weitergeht, muss man weg von einer Ideologie- und hin zu einer Sachdebatte. Ich habe versucht, von den anderen Parteien ein Bekenntnis zu einer faktenorientierten Bildungspolitik auf Basis von Empfehlungen der OECD zu erhalten, um so die Bildungsblockade mit Hilfe externer Fachleute zu durchbrechen. Leider haben SPÖ, ÖVP und FPÖ diesen möglichen Schub von außen abgelehnt und ziehen es vor, sich weiter in ideologie- und machtgetriebenen Positionen festzuzementieren.

Skandalöse RichtlinienĂ€nderung fĂŒr Schulbibliotheken mit Stimmen von SPÖ, ÖVP, FPÖ

Es ist mir völlig unverstĂ€ndlich, wie es möglich ist, dass einerseits rundherum die mangelnde Lesekompetenz österreichischer SchĂŒlerInnen beklagt und andererseits Schulbibliotheken per Handstreich der Ankauf von allgemeiner Literatur verwehrt wird. Nachdem Schulbibliotheken ĂŒber kein fixes Budget aus anderen Quellen verfĂŒgen, ist die Möglichkeit, die freien Mittel aus der Schulbuchaktion zu nutzen, fĂŒr die Aktualisierung und Erweiterung des Bestands von Schulbibliotheken unerlĂ€sslich. Eine neue Richtlinie des Familienministeriums legt seit Beginn dieses Schuljahres fest, dass nur mehr Lesestoff erworben werden darf, der einen direkten Bezug zum Lehrplan aufweist. Damit entfĂ€llt der Ankauf jeglicher Literatur, die nicht im Unterricht verwendet wird wie beispielsweise ein Großteil der Kinder- und Jugendliteratur. Angesichts der dramatischen Ergebnisse im Bereich der Lesekompetenz ist es skandalös, dass ausgerechnet bei Schulbibliotheken der budgetĂ€re Rotstift angesetzt werden soll. Ich habe in der Sondersitzung daher auch einen Antrag zur Abstimmung gebracht, der eine RĂŒcknahme dieser Richtlinie zum Inhalt hatte. SPÖ, ÖVP und FPÖ haben sich aber dagegen ausgesprochen. Besonders enttĂ€uscht bin ich von der SPÖ, denn es hat einmal Zeiten gegeben, wo der Aufbau von Volksbibliotheken zur Bildung von Arbeitern und Arbeiterinnen eine zentrale Bildungsmaßnahme der Sozialdemokratie war.

Die SPÖ und die Bildungspolitik

Die Gemeinsame Schule fĂŒr die 10- bis 14-JĂ€hrigen – und damit auch der Weg zu mehr Chancengerechtigkeit – ist fĂŒr die Sozialdemokratie offenbar kein Thema mehr. Sie kommt weder in Christian Kerns „Plan A“ noch in ihrem Wahlprogramm vor. Auch die Bildungsministerin hat in der Vergangenheit mehrfach darauf hingewiesen, derzeit andere PrioritĂ€ten zu haben. Ähnliches gilt fĂŒr den von der Arbeiterkammer ausgearbeiteten Chancenindex. Die von uns geforderte Finanzierung zusĂ€tzlicher LehrkrĂ€fte fĂŒr den Pflichtschulbereich, die an Schulen mit besonderen Herausforderungen eingesetzt werden sollen, damit jedes Kind zu seinem Recht auf Bildung kommt, wurde in der Bildungsreform gar nicht erst verhandelt. Damals erklĂ€rte uns Bildungsministerin Hammerschmid, es sei genug Geld im Bildungssystem. Der Chancenindex und damit die Forderung nach mehr Geld im Bildungsbudget tauchte erst im Wahlkampf wieder auf, als Bundeskanzler Kern 5.000 zusĂ€tzliche LehrkrĂ€fte einforderte. Die SPÖ hat viel von ihrer GlaubwĂŒrdigkeit in der Bildungspolitik verloren.

Die Liste Kurz aka ÖVP kennt nur ein Thema, und das ist die Selektion

Es gibt kaum ein Thema im Wahlkampf, das die ÖVP nicht mit Integration und Migration in Verbindung bringen wĂŒrde. Peter Filzmaier hat das in der ZiB 2 trefflich formuliert. Das zweite Jahr im Kindergarten soll nur fĂŒr jene verpflichtend sein, die es brauchen – und das sind nach Meinung der ÖVP vorwiegend Kinder mit Migrationshintergrund. Eine bessere Ausbildung sollen nur die LeiterInnen von elementarpĂ€dagogischen Einrichtungen bekommen, nicht aber jene, die tĂ€glich mit den Kindern arbeiten. Wer nicht schnell genug die Unterrichtssprache lernt, soll in eine separierte Deutschklasse, obwohl – und das sollte sich inzwischen auch bis zu Integrationsminister Kurz herumgesprochen haben – alle ExpertInnen betonen, dass eine Separierung kontraproduktiv ist. Ethikunterricht soll kommen, aber nur fĂŒr die, die keinen konfessionellen Religionsunterricht besuchen. Wer fĂŒr Inklusion nicht geeignet ist, fĂŒr den werden die Sonderschulen erhalten. Das ist Aussonderung unter dem Deckmantel der „Wahlfreiheit“. Das Gymnasium bleibt – fĂŒr alle, die eines in der nĂ€heren Wohnumgebung haben, die vielleicht schon ein Geschwisterkind an der Schule haben, deren Eltern sich die Nachhilfe leisten können und deren Volksschullehrkraft beschlossen hat, aus Angst vor Klagen der Eltern nur noch Einser und Zweier im Zeugnis zu vergeben. Neu ist, dass die ÖVP fĂŒr alle in der 8. Schulstufe eine zusĂ€tzliche PrĂŒfung einfĂŒhren will, die der Zentralmatura Ă€hnlich sein soll. Das nennt die ÖVP dann als Marketinggag „Chancenpass“. Wer die geforderten Standards nicht erfĂŒllt, fĂ€llt unter die Bildungspflicht und kommt in eine Förderklasse bis zum 18. Geburtstag. Die ReifeprĂŒfung soll nach Meinung der ÖVP, Liste Kurz Bewegung nicht mehr fĂŒr den Zugang zur Hochschulen und UniversitĂ€ten ausreichen. Stattdessen sollen generell StudienplatzbeschrĂ€nkungen und Auswahlverfahren greifen. Das ganze verkauft die ÖVP unter dem Titel „ZurĂŒck an die Spitze“. Dabei ist aber wohl nur „ZurĂŒck“ korrekt …

Nichts Neues von der FPÖ, aber das mit offener Hetze gegen Kinder

Die FPÖ setzt – wenig ĂŒberraschend – auch in der Bildungspolitik auf ihr altbekanntes Thema, und das ist gegen Kinder mit nichtdeutscher Erstsprache gerichtet. Weil ihr hier jedoch die ÖVP unter Kurz den Rang abgelaufen hat, versucht sie es mit offener Hetze gegen Kinder. Strache veröffentlichte ein Video mit dem Kommentar „Traurig“, das unverpixelt Kinder vor einer Wiener Volksschule zeigt, die teilweise von MĂŒttern mit Kopftuch abgeholt werden. Die FPÖ Vomp veröffentlichte auf Facebook Klassenlisten mit vollem Namen von Kindern, deren Herkunft fĂŒr die FPÖ nicht deutsch genug ist und der KĂ€rntner Parteiobmann Gernot Darmann erfindet, „KĂ€rntner Kinder“ seien gezwungen, in den Islamunterricht zu gehen. Wenige Tage spĂ€ter verkauft er den selbstverstĂ€ndlichen Zustand, dass dem nicht so ist, als Erfolg der FPÖ. Ich habe diese Übergriffe auch in meiner Rede wĂ€hrend der Nationalratssondersitzung zum Thema gemacht.

 

29. August 2017

Geld fĂŒr Bildung statt fĂŒr AbfangjĂ€ger

2017-09-01T19:12:06+02:0029.08.17, 17:58 |Kategorien: Bildung, Gesellschaft|Tags: , , |

Pressekonferenz "Bildung statt AbfangjÀger" mit Ulrike Lunacek

Pressekonferenz „Bildung statt AbfangjĂ€ger“ mit Ulrike Lunacek

Die Anschaffung und der Betrieb von AbfangjĂ€gern sorgen in Österreich seit Jahrzehnten fĂŒr Diskussion, Ablehnung und Widerstand. Höhepunkt waren dann wohl die dubiosen GeschĂ€fte rund um den Kauf der Eurofighter, die als Teurofighter in die Geschichte eingehen werden und der Republik einen Schaden von mehr als einer Milliarde Euro beschert haben. Schon 1985 brachte der damalige Wiener ÖVP-VizebĂŒrgermeister Erhard Busek den gĂ€nzlichen Verzicht auf AbfangjĂ€ger ins Spiel – um damit seinen Unmut ĂŒber den Ankauf der Draken Ausdruck zu verleihen.

Geld fĂŒr den Chancenindex fehlt

Inzwischen fĂŒhren wir jĂ€hrlich die Diskussionen, dass der Bildung Geld fehlt und notwendige Investitionen nicht getĂ€tigt werden können. Die SPÖ um Kanzler Kern und Bildungsministerin Hammerschmid verspricht eine Aufstockung des Bildungsbudgets um 300 Millionen Euro, um Brennpunktschulen besser – vor allem mit mehr LehrkrĂ€ften – auszustatten. Das erstaunt mich nun, weil mir Ministerin Hammerschmid im Zuge der Verhandlungen um die Bildungsreform noch im Mai erklĂ€rt hatte, es sei genug Geld im Bildungssystem vorhanden. Nun will die Bildungsministerin aber einen Brief an Finanzminister Schelling schreiben, um die zusĂ€tzlichen budgetĂ€ren Mittel zu erhalten und – so verspricht es die SPÖ – 5.000 zusĂ€tzliche LehrkrĂ€fte zur Umsetzung des Chancenindex bis zum Jahr 2020 anstellen. Dass wir bis 2020 bereits um die 6.000 zusĂ€tzliche LehrerInnen im System benötigen, um den Chancenindex so zu realisieren, wie ihn die Arbeiterkammer berechnet hat, sei einmal dahingestellt.

LehrkrÀfte: Woher nehmen, wenn nicht ausbilden?

Was uns die Bildungsministerin noch nicht verraten hat, ist, woher die zusĂ€tzlichen LehrerInnen kommen sollen, da wir auf einen eklatanten Lehrermangel zusteuern. Dass wir bereits jetzt viel zu wenige ausgebildete Lehrende fĂŒr eine professionelle Sprachförderung (Deutsch und Herkunftssprachen) haben, wird die Zusatzbesetzungen auch nicht leichter machen. Denn Österreich verabsĂ€umt es seit vielen Jahren, genĂŒgend LehrkrĂ€fte fĂŒr Deutsch als Zweitsprache an UniversitĂ€ten und Hochschulen auszubilden. Die erste Maßnahme wĂ€re daher die Einrichtung bzw. deutliche Ausweitung von entsprechenden regulĂ€ren Studienmöglichkeiten, um FachkrĂ€fte fĂŒr die Sprachförderung in die Schulen (und KindergĂ€rten) zu bringen.

Bildung als Waffe fĂŒr die Zukunft

Das Geld, das wir fĂŒr die Anschaffung und den Betrieb von AbfangjĂ€gern investieren mĂŒssten, wĂ€re aus GrĂŒner Sicht im Bildungsbereich sinnvoller eingesetzt. Wir benötigen umgehend eine Ausbildungsoffensive in der LehrerInnenbildung, damit wir mehr qualifizierte LehrkrĂ€fte in unseren Schulen haben. Das kostet Geld, denn mehr Chancengerechtigkeit in der Bildung gibt es nicht zum Nulltarif. Bildung gehört zu den wichtigsten Waffen fĂŒr die Zukunft unserer Kinder, aber auch fĂŒr unseren Staat. Mit guten Bildungsmöglichkeiten sind wir jedenfalls besser gerĂŒstet als mit AbfangjĂ€gern.

 

23. August 2017

Österreich, Land der bezahlten Nachhilfe – muss nicht sein!

2017-08-25T12:01:20+02:0023.08.17, 13:52 |Kategorien: Bildung|Tags: , , , , |

In Österreich benötigt etwa ein Viertel aller SchĂŒlerInnen Nachhilfe. Die Kosten dafĂŒr belasten die Budgets von Familien ordentlich – die durchschnittlichen Jahresausgaben pro SchĂŒlerIn mit Nachhilfebedarf liegen bei 710 €. Die HĂ€lfte aller betroffenen Haushalte gibt an, dadurch sehr stark bzw. spĂŒrbar belastet zu sein. FĂŒr fast 50.000 SchĂŒlerInnen wĂ€re eine Nachhilfe wĂŒnschenswert gewesen, konnte aber aus geografischen oder finanziellen GrĂŒnden nicht organisiert werden. Das ergibt die aktuelle Studie der Arbeiterkammer „Nachhilfe in Österreich 2017“. BedrĂŒckend dabei ist, dass auch schon viele Volksschulkinder Nachhilfe beanspruchen mĂŒssen.

Die VerbesserungswĂŒnsche, die Eltern haben, sind vielfĂ€ltig: Sie wĂŒnschen sich einen besseren Einsatz moderner und effizienter Unterrichtsmethoden, plĂ€dieren fĂŒr kleinere Unterrichtsgruppen, fĂŒr kostenlose Nachhilfeangebote und den Ausbau des Förderunterrichts an den Schulen sowie fĂŒr mehr Zeit zum Üben des Stoffes.

Was nun auch immer die individuell durchaus verschiedenen Ursachen fĂŒr den signifikant hohen Förderbedarf in Österreich sind, so lĂ€sst sich daraus ein struktureller Änderungsbedarf ableiten:

  • Eine Gemeinsame Schule der 6- bis 14-JĂ€hrigen beseitigt den Druck bei Volksschulkindern, unbedingt Gymnasiumsreife erlangen mĂŒssen.
  • GanztĂ€gige Schulformen bringen mehr Zeit zum Lernen, machen HausĂŒbungen ĂŒberflĂŒssig und verringern externe Nachhilfe markant. Freizeit ist dann wirklich Freizeit, die Familienmitglieder werden psychisch und finanziell entlastet.
  • Die flĂ€chendeckende EinfĂŒhrung eines „Chancenindex“, der mehr Ressourcen in Brennpunktschulen bringt, sichert mehr LehrerInnen und mehr UnterstĂŒtzungspersonal dort, wo es dringend benötigt wird.

Die Gemeinsame Schule, ganztĂ€gige Schulformen und der „Chancenindex“ sind daher ein wesentlicher Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit: Alle Kinder und Jugendlichen bekommen unabhĂ€ngig vom Geldbeutel der Eltern jene Förderung, die sie benötigen. Auch wenn es schon langweilig wird: Finnland macht es vor, dass Schule ohne HausĂŒbungen und Nachhilfe geht. Wir sind – nicht zuletzt dank der von uns GrĂŒnen eingebrachten Punkte der Bildungsreform – wenigstens einen Schritt in die richtige Richtung gegangen. In der nĂ€chsten Legislaturperiode wird es unter anderem um eine deutliche Budgeterhöhung fĂŒr die Bildung gehen, denn nur durch sie können die dringend notwendigen Maßnahmen abgesichert werden.

 

WofĂŒr ich stehe?

Ich stehe fĂŒr soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles ĂŒber meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, AntrĂ€ge und Ausschussarbeit.


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