Nationalratswahl, Bildung und die Parteien: ein ernĂŒchterndes Fazit
Bildung wird im laufenden Wahlkampf viel zu wenig diskutiert. Deshalb haben wir uns entschlossen, eine Sondersitzung des Nationalrats einzuberufen, denn die Bildungsreform ist fĂŒr uns bei weitem nicht abgeschlossen. Mit einer MachtĂŒbernahme durch ĂVP und FPĂ sind in den nĂ€chsten Jahren wohl RĂŒckschritte im Bestreben nach mehr Chancengerechtigkeit, Inklusion, sowie individueller und nachhaltiger Förderung zu erwarten. Nach wie vor stecken wir in einem ideologisch geprĂ€gten Patt, aus dem wir kaum herauskommen. Damit in der Bildung in Ăsterreich etwas weitergeht, muss man weg von einer Ideologie- und hin zu einer Sachdebatte. Ich habe versucht, von den anderen Parteien ein Bekenntnis zu einer faktenorientierten Bildungspolitik auf Basis von Empfehlungen der OECD zu erhalten, um so die Bildungsblockade mit Hilfe externer Fachleute zu durchbrechen. Leider haben SPĂ, ĂVP und FPĂ diesen möglichen Schub von auĂen abgelehnt und ziehen es vor, sich weiter in ideologie- und machtgetriebenen Positionen festzuzementieren.
Skandalöse RichtlinienĂ€nderung fĂŒr Schulbibliotheken mit Stimmen von SPĂ, ĂVP, FPĂ
Es ist mir völlig unverstĂ€ndlich, wie es möglich ist, dass einerseits rundherum die mangelnde Lesekompetenz österreichischer SchĂŒlerInnen beklagt und andererseits Schulbibliotheken per Handstreich der Ankauf von allgemeiner Literatur verwehrt wird. Nachdem Schulbibliotheken ĂŒber kein fixes Budget aus anderen Quellen verfĂŒgen, ist die Möglichkeit, die freien Mittel aus der Schulbuchaktion zu nutzen, fĂŒr die Aktualisierung und Erweiterung des Bestands von Schulbibliotheken unerlĂ€sslich. Eine neue Richtlinie des Familienministeriums legt seit Beginn dieses Schuljahres fest, dass nur mehr Lesestoff erworben werden darf, der einen direkten Bezug zum Lehrplan aufweist. Damit entfĂ€llt der Ankauf jeglicher Literatur, die nicht im Unterricht verwendet wird wie beispielsweise ein GroĂteil der Kinder- und Jugendliteratur. Angesichts der dramatischen Ergebnisse im Bereich der Lesekompetenz ist es skandalös, dass ausgerechnet bei Schulbibliotheken der budgetĂ€re Rotstift angesetzt werden soll. Ich habe in der Sondersitzung daher auch einen Antrag zur Abstimmung gebracht, der eine RĂŒcknahme dieser Richtlinie zum Inhalt hatte. SPĂ, ĂVP und FPĂ haben sich aber dagegen ausgesprochen. Besonders enttĂ€uscht bin ich von der SPĂ, denn es hat einmal Zeiten gegeben, wo der Aufbau von Volksbibliotheken zur Bildung von Arbeitern und Arbeiterinnen eine zentrale BildungsmaĂnahme der Sozialdemokratie war.
Die SPĂ und die Bildungspolitik
Die Gemeinsame Schule fĂŒr die 10- bis 14-JĂ€hrigen â und damit auch der Weg zu mehr Chancengerechtigkeit â ist fĂŒr die Sozialdemokratie offenbar kein Thema mehr. Sie kommt weder in Christian Kerns âPlan Aâ noch in ihrem Wahlprogramm vor. Auch die Bildungsministerin hat in der Vergangenheit mehrfach darauf hingewiesen, derzeit andere PrioritĂ€ten zu haben. Ăhnliches gilt fĂŒr den von der Arbeiterkammer ausgearbeiteten Chancenindex. Die von uns geforderte Finanzierung zusĂ€tzlicher LehrkrĂ€fte fĂŒr den Pflichtschulbereich, die an Schulen mit besonderen Herausforderungen eingesetzt werden sollen, damit jedes Kind zu seinem Recht auf Bildung kommt, wurde in der Bildungsreform gar nicht erst verhandelt. Damals erklĂ€rte uns Bildungsministerin Hammerschmid, es sei genug Geld im Bildungssystem. Der Chancenindex und damit die Forderung nach mehr Geld im Bildungsbudget tauchte erst im Wahlkampf wieder auf, als Bundeskanzler Kern 5.000 zusĂ€tzliche LehrkrĂ€fte einforderte. Die SPĂ hat viel von ihrer GlaubwĂŒrdigkeit in der Bildungspolitik verloren.
Die Liste Kurz aka ĂVP kennt nur ein Thema, und das ist die Selektion
Es gibt kaum ein Thema im Wahlkampf, das die ĂVP nicht mit Integration und Migration in Verbindung bringen wĂŒrde. Peter Filzmaier hat das in der ZiB 2 trefflich formuliert. Das zweite Jahr im Kindergarten soll nur fĂŒr jene verpflichtend sein, die es brauchen â und das sind nach Meinung der ĂVP vorwiegend Kinder mit Migrationshintergrund. Eine bessere Ausbildung sollen nur die LeiterInnen von elementarpĂ€dagogischen Einrichtungen bekommen, nicht aber jene, die tĂ€glich mit den Kindern arbeiten. Wer nicht schnell genug die Unterrichtssprache lernt, soll in eine separierte Deutschklasse, obwohl â und das sollte sich inzwischen auch bis zu Integrationsminister Kurz herumgesprochen haben â alle ExpertInnen betonen, dass eine Separierung kontraproduktiv ist. Ethikunterricht soll kommen, aber nur fĂŒr die, die keinen konfessionellen Religionsunterricht besuchen. Wer fĂŒr Inklusion nicht geeignet ist, fĂŒr den werden die Sonderschulen erhalten. Das ist Aussonderung unter dem Deckmantel der âWahlfreiheitâ. Das Gymnasium bleibt â fĂŒr alle, die eines in der nĂ€heren Wohnumgebung haben, die vielleicht schon ein Geschwisterkind an der Schule haben, deren Eltern sich die Nachhilfe leisten können und deren Volksschullehrkraft beschlossen hat, aus Angst vor Klagen der Eltern nur noch Einser und Zweier im Zeugnis zu vergeben. Neu ist, dass die ĂVP fĂŒr alle in der 8. Schulstufe eine zusĂ€tzliche PrĂŒfung einfĂŒhren will, die der Zentralmatura Ă€hnlich sein soll. Das nennt die ĂVP dann als Marketinggag âChancenpassâ. Wer die geforderten Standards nicht erfĂŒllt, fĂ€llt unter die Bildungspflicht und kommt in eine Förderklasse bis zum 18. Geburtstag. Die ReifeprĂŒfung soll nach Meinung der ĂVP, Liste Kurz Bewegung nicht mehr fĂŒr den Zugang zur Hochschulen und UniversitĂ€ten ausreichen. Stattdessen sollen generell StudienplatzbeschrĂ€nkungen und Auswahlverfahren greifen. Das ganze verkauft die ĂVP unter dem Titel âZurĂŒck an die Spitzeâ. Dabei ist aber wohl nur âZurĂŒckâ korrekt …
Nichts Neues von der FPĂ, aber das mit offener Hetze gegen Kinder
Die FPĂ setzt â wenig ĂŒberraschend â auch in der Bildungspolitik auf ihr altbekanntes Thema, und das ist gegen Kinder mit nichtdeutscher Erstsprache gerichtet. Weil ihr hier jedoch die ĂVP unter Kurz den Rang abgelaufen hat, versucht sie es mit offener Hetze gegen Kinder. Strache veröffentlichte ein Video mit dem Kommentar âTraurigâ, das unverpixelt Kinder vor einer Wiener Volksschule zeigt, die teilweise von MĂŒttern mit Kopftuch abgeholt werden. Die FPĂ Vomp veröffentlichte auf Facebook Klassenlisten mit vollem Namen von Kindern, deren Herkunft fĂŒr die FPĂ nicht deutsch genug ist und der KĂ€rntner Parteiobmann Gernot Darmann erfindet, âKĂ€rntner Kinderâ seien gezwungen, in den Islamunterricht zu gehen. Wenige Tage spĂ€ter verkauft er den selbstverstĂ€ndlichen Zustand, dass dem nicht so ist, als Erfolg der FPĂ. Ich habe diese Ăbergriffe auch in meiner Rede wĂ€hrend der Nationalratssondersitzung zum Thema gemacht.