Es ist kaum zu glauben, aber 80 Jahre nach dem „Anschluss“, 73 Jahre nach dem Ende des nationalsozialistischen Terrorregimes haben wir noch immer eine durch die Republik nicht anerkannte Opfergruppe. Wären wir Grüne nicht aus dem Nationalrat geflogen, wäre daher eines meiner Vorhaben in dieser Legislaturperiode gewesen, die Anerkennung von sogenannten „Berufsverbrechern“ und „Asozialen“ als Opfer im Nationalsozialismus in Verhandlungen mit anderen Parlamentsparteien anzuregen und möglichst durchzusetzen.

Auslöser meiner Intention war der Aula-Skandal, in dem bekanntermaßen Mauthausen-Überlebende pauschal als Kriminelle diffamiert wurden. Das Erschütternde dabei war nicht, dass dies in der Aula zu lesen war, denn von dort erwarte ich mir nichts anderes – auch wenn der von uns angezeigte und dann geklagte Artikel alle erträglichen Maße weit überschritten hatte. Aber die Begründung, mit der das Verfahren nach meiner ersten Anzeige seitens der Grazer Staatsanwaltschaft im Dezember 2015 eingestellt wurde, war schlichtweg erschütternd: Dort wurde nämlich indirekt die NS-Judikatur fortgeschrieben, indem die während der NS-Zeit als „Kriminelle“ internierten KZ-Häftlinge nach der „allgemeinen Lebenserfahrung“ – so die zuständige Staatsanwältin – aufgrund ihrer kriminellen Energie Straftaten wohl auch nach der Befreiung verübt hätten.

Seit Jahren belegte Tatsache ist jedoch, dass genau diese Opfergruppe die erste nach dem „Anschluss“ war, die in das bereits 1938 errichtete KZ Mauthausen eingeliefert wurde, und das einzig aufgrund von kleineren Vergehen, die zuvor bereits bestraft wurden. Sie wurden präventiv verhaftet und ins KZ deportiert. Vielfach getroffen hat es Personen aus den widerständigen Arbeiterbezirken aus Wien, Menschen, die unangepasst waren, die fürs gleichgeschaltete gehorsame Menschenbild der Nazis nicht „brauchbar“ waren: Sie waren sozial schlichtweg nicht gewünscht und sollten vernichtet werden. Der Wiener Soziologe Andreas Kranebitter, der uns im Zuge unserer Klagen gegen die Aula wissenschaftlich unterstützt hatte, folgerte daher, es sei an der Zeit, die fortgesetzte NS-Stigmatisierung dieser womöglich letzten tabuisierten Häftlingsgruppen zu beenden.

Nun darf ich – wenn schon nicht als Nationalratsabgeordneter in Österreich – dann wenigstens als engagierter Bürger und Historiker als Erstunterzeichner eine Petition an den Deutschen Bundestag unterstützen: „Anerkennung von ‚Asozialen’ und ‚Berufsverbrechern’ als Opfer des Nationalsozialismus“. Ich wünsche dieser Petition viel Erfolg und hoffe, dass sie nach Österreich ausstrahlen wird. Meine Erwartung an diese Regierung, deren Juniorpartner – die FPÖ – von einem braunen Skandal in den nächsten stolpert, an einen Kanzler, der dazu bestenfalls wirkungslose Plattitüden von sich gibt, geht gegen Null. Aber vielleicht schaffen wir es zumindest, im Bewusstsein auch hierzulande zu verankern, dass wir noch eine Bringschuld zu erledigen haben, nämlich posthum tatsächlich alle Opfer der NS-Zeit zu rehabilitieren und damit auch deren Nachfahren von einer historischen Last zu befreien.

Bitte unterzeichnen auch Sie diese Petition. Vielen Dank!