2. September 2024

Bildung als Wahlkampfthema?

2024-09-02T12:17:39+02:0002.09.24, 12:16 |Kategorien: Bildung, Wahlkampf|Tags: , |

Es ist zu befürchten, dass die überfällige Bildungsreform auch in diesem Wahlkampf nur ein Randthema sein wird. Es gibt aber ganz kleine Hoffnungsschimmer. Unter dem Titel „Schule und Ideologie“ habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar verfasst. Hier zum Nachlesen:

Der Reformbedarf des österreichischen Schulsystems ist unter Fachleuten unbestritten. In Vorarlberg hat Schul-Landesrätin Barbara Schöbi-Fink in den VN von einem „neuen Anlauf für die gemeinsame Schule“ gesprochen. NEOS und Grüne pochen ebenfalls darauf. Auch die SPÖ ist prinzipiell dafür. Es wäre erfreulich, wenn Bildung im Landtagswahlkampf ein – seiner Bedeutung entsprechendes – zentrales Thema würde.

„Vorarlberger FPÖ für gemeinsame Schule und Ganztagsschule“. Dieses Zitat überrascht, denn Bitschi & Co sind derzeit als einzige gegen eine Reform. Das Zitat ist dennoch richtig, aber 15 Jahre alt. Damals hatte die FPÖ im Landtag mit der Volksschuldirektorin Silvia Benzer als Bildungssprecherin noch eine ausgesprochene Fachfrau, die Schulsysteme analysieren konnte.

Und es gibt viele Vorbilder. Finnland, Estland oder Südtirol sind weitgehend bekannt. Weniger bekannt ist diesbezüglich Polen, das Ländern wie Österreich bei internationalen Überprüfungen wie dem Pisa-Test weit überlegen ist. In Polen existiert eine ganztägig geführte gemeinsame Schule für die ersten acht Jahre, Bildungsexperten wie Maciej Jakubowski, Direktor des Instituts für Bildungsforschung in Warschau, fordern sogar ein weiteres Jahr.

Ideologie ablegen

Auffallend: Über alle Parteigrenzen und ideologischen Positionen hinweg ist die gemeinsame Schule in kaum einem Land infrage gestellt. Bei uns hingegen dominiert auf Bundesebene in bildungspolitischen Debatten leider immer noch die Ideologie und nicht der Sachverstand. Dabei ist seit Jahrzehnten offenkundig, dass Österreich trotz der gymnasialen Unterstufe weder im Spitzenbereich noch im untersten Leistungsbereich mit den führenden Ländern – etwa mit Südtirol – mithalten kann.

In keinem (!) anderen Land – außer teilweise in Deutschland – werden Kinder so früh getrennt wie bei uns. Das ist mit ein Grund dafür, warum unser Schulsystem weltweit eines der teuersten ist. Dennoch ist es wenig leistungsfähig und benachteiligt zudem sozial an sich schon benachteiligte Kinder massiv. Das bestätigt eine im Auftrag des Bildungsministeriums erstellte Studie: „Das österreichische Schulsystem ist durch ein hohes Ausmaß an Chancenungleichheit gekennzeichnet, und der sozialen Herkunft kommt bei der Entstehung dieser Ungleichheiten eine zentrale Rolle zu.“

Wollen wir uns weiterhin eines der teuersten Schulsysteme leisten mit unterdurchschnittlich vielen Spitzenleistungen und überdurchschnittlich vielen Problemkindern? Oder sollen alle Kinder in unseren Schulen eine faire Chance erhalten? Gelingt es den Verantwortlichen, ideologische Scheuklappen abzulegen und eine grundlegende Schulreform anzupacken? Der von Schöbi-Fink angekündigte Schulversuch einer gemeinsamen Schule ist zu begrüßen, aber noch reichlich unkonkret. Dennoch: Die Hoffnung auf eine sinnvolle Reformvariante lebt, die Skepsis aus leidvoller Erfahrung aber leider auch.

14. August 2024

Trump und die „milde Pathologisierung“

2024-08-14T12:14:58+02:0014.08.24, 12:14 |Kategorien: Wahlkampf|Tags: , , |

Wahlen in den USA sind für uns in Europa nicht selten etwas seltsam – einerseits wegen eines Wahlsystems aus dem 18. Jahrhundert, andererseits wegen des unfassbaren Aufwands für oft sehr wenig politische Botschaften. Und dann wäre da ja auch noch Donald Trump mit seiner eigenartigen Art der politischen Kommunikation. Lange waren die Demokraten ratlos, seit einigen Wochen ist es umgkehrt: Die Herzen fliegen plötzlich Kamala Harris zu. Warum ist das so? Unter dem Titel „Milde Pathologisierung“ habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar verfasst. Hier zum Nachlesen:

Donald Trump und sein Team sind ratlos. Bis vor wenigen Wochen lag der Ex-Präsident in Umfragen haushoch in Führung, das Rennen schien gelaufen. Doch dann passierten zwei entscheidende Dinge: Einerseits verzichtete Joe Biden auf seine Kandidatur, andererseits hat Kamala Harris mit ihrem „Running Mate“ Tim Walz einen überzeugenden politischen Kommunikator gefunden. Ihm gelingt es, mit einfachen Worten zu überzeugen.

Dabei scheint das, was er sagt, wenig spektakulär: Das Land brauche „Joy“, verkündete Walz zuletzt, also „Freude“. Der verbiesterte Trump aber nehme diese Freude („Haben Sie ihn schon mal lachen gesehen?“), Harris bringe sie ins Land zurück. Sein Publikum ist begeistert. In diesem bislang weitgehend inhaltsleeren Wahlkampf liegt Harris dank des „neuen“ Kommunikationsstils in den wichtigen Swing States bereits mit jeweils vier Prozentpunkten voran.

Walz war es auch, der Trump und dessen Republikaner schon vor seiner Ernennung als „weird“ – also „seltsam“ oder „schräg“ – bezeichnete. Der Trump Fan-Gemeinde war bislang weitgehend egal, dass ihr Idol eine weltrekordverdächtige Zahl an Lügen verbreitet, dass ihm dutzende Gerichtsverfahren bevorstehen (falls er sich nicht selbst begnadigt) und er in einem bereits verurteilt ist, dass er zu einem Staatsstreich aufgerufen hat, der mehrere Todesopfer forderte, dass er eine Gefahr für die Demokratie und den Weltfrieden ist.

Im Gegensatz zur politischen Mitte kümmerte das die „Trumpisten“ nicht. Aber einem „seltsamen“ oder „schrägen“ Menschen folgen? Einem, dessen Ideen „einfach nur komisch“ sind? Das scheint erstaunlicherweise viele weit mehr in ihrer Wahlentscheidung zu beeinflussen als politische Positionen. Diese „milden Pathologisierung“ wirkt, wie die „Süddeutsche Zeitung“ kürzlich analysierte: Harris und Walz argumentieren nicht aggressiv, sondern beugen „sich fast mitleidig“ über Trump und lassen „ihn damit schrumpfen“. Das hat was: Trumps skurrile Auftritte und Aussagen kann man ja mit gutem Recht als „seltsam“ bezeichnen.

Die Republikaner sind gegenüber dieser Kommunikation bislang ratlos und werden in den letzten Tagen immer aggressiver. Trump faselt inzwischen sogar wenig überzeugend von einem angeblichen „Putsch gegen Biden“. Dadurch wirkt er „weird“ und bestätiget ungewollt die Kommunikation von Harris und ihrem Team. Die kultische Hingabe vieler Trump-Fans mag das nicht erschüttern, in der politischen Mitte aber wirkt es.

Jetzt bräuchten wir halt auch hierzulande noch jemanden, der die politische Kommunikation beherrscht und aus dem bisherigen US-Wahlkampf die richtigen Schlüsse zieht – aber bitte auch sagt, was politisch zu erwarten ist.

1. August 2024

Politische Sternstunden?

2024-08-01T11:35:10+02:0001.08.24, 11:35 |Kategorien: Geschichte und Rechtsextremismus|Tags: , , , |

Gibt es in diesen politisch so tristen Zeiten auch ein paar Hoffnungsschimmer? Es gibt sie. Man denke etwa an den Stimmungswechsel in den USA nach dem Verzicht auf ein erneutes Antreten bei den Präsidentschaftswahlen durch Joe Biden oder die klare Abgrenzung gegen Rechtsaußen im EU-Parlament.

Unter dem Titel „Demokratische Sternstunden?“ habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar verfasst. Hier zum Nachlesen:

War es eine „demokratische Sternstunde“, als das EU-Parlament vorletzte Woche bei der Konstituierung ein breites demokratisches Bündnis gegen die erstarkten rechtsradikalen Parteien geschmiedet hat? Kein Mitglied der äußersten Rechten wurde in eine wichtige Funktion gewählt.

Die Allianz im EU-Parlament reichte von den Christdemokraten über Liberale, Sozialdemokraten und Grüne bis zu den Linken. Der in vielen europäischen Staaten existierende „Cordon sanitaire“ gegen Rechtsextreme – etwa in Frankreich oder Deutschland – existiert derzeit auch im EU-Parlament.

Man hat offenkundig aus der Geschichte gelernt. In der Zwischenkriegszeit haben Demokraten in vielen Ländern geglaubt, auch mit den Feinden der Demokratie zusammenarbeiten zu können. Das Ergebnis waren zahlreiche faschistische Diktaturen.

Die Abgeordneten im EU-Parlament haben aber auch gezeigt, dass sie aus der jüngsten Geschichte gelernt haben. Ungarn und Polen sind warnende Beispiele. In Ungarn macht Viktor Orbán aus seiner Verachtung der liberalen Demokratie keinen Hehl und verändert das politische System in Richtung eines autoritären Staates. In Polen haben die Wahlberechtigten eine ähnliche Entwicklung gerade noch gestoppt. Doch das Rückgängigmachen der autoritären Wende ist schwer genug. Kommt die Abstimmung im EU-Parlament also gerade noch zur rechten Zeit? Ist sie eine „demokratische Sternstunde“?

Der Begriff „Sternstunde“ wurde bekannt durch das 1927 erschienene Buch „Sternstunden der Menschheit“ des Schriftstellers Stefan Zweig – seine Mutter stammte übrigens aus Hohenems. Dieses Buch wird derzeit in dramatisierter Form mit großem Erfolg bei den Salzburger Festspielen aufgeführt. Zweig schildert zentrale geschichtliche Ereignisse, die oft durch – für die Zeitgenossen nicht selten unscheinbare – Begebenheiten herbeigeführt wurden.
Ein solches Ereignis könnte sowohl die Abstimmung im EU-Parlament sein als auch die Entscheidung von US-Präsident Joe Biden, angesichts desaströser Umfragewerte nicht mehr zur Wiederwahl anzutreten. Das Aufatmen in den Demokratien des Westens war deutlich hörbar – zumal Trump ganz offen das Ende der Demokratie angekündigt hat, wenn er gewählt wird: „Geht raus und wählt! Nur dieses Mal. Ihr werdet es nie wieder tun müssen.“

Hat sich deshalb in den USA in den letzten Tagen der Wind gedreht? Der designierten Kandidatin Kamala Harris ist jedenfalls die Mobilisierung traditioneller Wählergruppen der Demokraten sehr schnell gelungen: Frauen, Junge, Schwarze und Latinos. In den Umfragen liegt sie inzwischen sogar schon knapp vor Trump.

Zweigs Buch „Sternstunden“ erschien mit 14 Kapiteln und liegt in den Buchhandlungen nach wie vor auf. Die scheinbar nicht so wichtige Entscheidung des EU-Parlaments, vor allem aber Rückzug Bidens und die Wahl im November hätten den großen Humanisten vielleicht zu weiteren Kapiteln animiert.

Wofür ich stehe?

Ich stehe für soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles über meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, Anträge und Ausschussarbeit.


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