11. April 2024

ÖVP auf Abwegen

2024-04-11T13:29:52+02:0011.04.24, 13:21 |Kategorien: Allgemein, Parteien|Tags: , , |

Die ÖVP ist in vielfacher Hinsicht in Turbulenzen. Sie steckt in einem massiven Umfragetief, ist noch tiefer in den Spionage-Skandal rund um die ehemaligen Geheimdienstbeamten Egisto Ott und Martin Weiß verstrickt und wird wegen ihrer tollpatschigen Ablenkungsmanöver und PR-Kampagnen fast schon mehr bemitleidet als kritisiert. Unter dem Titel „Wohin driftet die ÖVP?“ habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar verfasst. Hier zum Nachlesen:

Seit einiger Zeit versucht die ÖVP bei jenen zu punkten, die sie in den letzten Jahren an die FPÖ verloren hat. Das allerdings geschieht mit untauglichen Inhalten und Mitteln: Parolen wie „Tradition statt Mulitkulti“ untermalt mit Bildern vom – in Vorarlberg nicht sehr verbreiteten – „Maibaumaufstellen“, die versprochene Rettung des gar nicht bedrohten „Schnitzels“ und der Blasmusik lassen die Öffentlichkeit eher verstört und ratlos zurück. Wenn sich dann auch noch der Blasmusik-Verband umgehend von der parteipolitischen Vereinnahmung distanziert, ist das PR-Fiasko perfekt.

Der deutsche „Spiegel“ titelte: „Nehammers ‚Leitkultur‘-Kampagne wird zum Rohrkrepierer.“

Verniederösterreicherung

Zentrum dieser Entwicklung der ÖVP ist ihr Kernland Niederösterreich mit Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner an der Spitze. Ihre Landsleute Karl Nehammer und Christian Stocker stimmten in den türkisen Chor ein. Wenn die niederösterreichische ÖVP dem ganzen Land eine Wertediskussion aufzwingen will, lohnt sich ein Blick auf die Werte der dortigen ÖVP.

Sie ist in einer Koalition mit der FPÖ – was vor der Wahl dezidiert ausgeschlossen worden war. Ehrlichkeit? Die Landeshauptfrau wurde vom späteren Koalitionspartner übelst beschimpft und verächtlich gemacht („Moslem-Mama“, sie betreibe „Multi-Kulti-Wahnsinn“ und eine „Zwangsislamisierung“ etc.). Selbstachtung? Der FPÖ-Obmann und jetzige Landeshauptfrau-Stellvertreter ist Udo Landbauer. Er gehörte einer Burschenschaft an, in der man die Ermordung von sechs Millionen Juden nicht verharmlost, sondern sogar gutgeheißen hat. In einem ihrer Lieder hieß es: „Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million.“

Am vergangenen Wochenende wurden politische Gegner beim FPÖ-Parteitag in NÖ als „Räuber“, „Monster“, „Folterknechte“, „Lügner“, „Spinner“ usw. bezeichnet. Sie ist auch jene Partei, die als einzige das Messerverbot im öffentlichen Raum ablehnt. Wa­rum? Sie ruft nicht nur sinnbildlich zum „Messerwetzen“ auf, sondern bietet das bei ihren Parteiveranstaltungen sogar an. Hat hier jemand ein politisches Interesse an einer Zuspitzung vorhandener Probleme, statt diese lösen zu wollen?

Die ÖVP will über Grundwerte diskutieren und hinterfragt Koalitionen mit dieser Truppe nicht?

Spürbarer Widerstand?

In einem liberalen Rechtsstaat sind die Akzeptanz der Verfassung und die Einhaltung der Gesetze die obersten Werte. Bei Verstößen treten Polizei und Justizsystem in Aktion. Werthaltungen hingegen kann man nicht vorschreiben, man muss sie vorleben.

Immerhin: Auch innerhalb der ÖVP sehen viele die Entwicklung ihrer Partei kritisch, darunter auch Bürgermeister wie Kurt Fischer oder Rainer Siegele. Der Mäderer Bürgermeister hat sogar öffentlich seinen Parteiaustritt angekündigt: Das sei nicht mehr seine Partei. Vorarlbergs ÖVP-Obmann Markus Wallner sollte das nicht stillschweigend übergehen, sondern als Denkanstoß nehmen.

21. Dezember 2023

Düstere Aussichten?

2023-12-21T11:08:18+01:0021.12.23, 9:13 |Kategorien: Gesellschaft, Parteien|Tags: , , , , , , |

Road sign used in Denmark – Turn left or right ahead.

Wohin führt der Weg im nächsten Jahr? Kriege, Klimadesaster, Fluchtbewegungen, soziale Ungleichheit, Vormarsch der Rechten … Weiter so? Oder gibt es ein wenig Hoffnung? Man muss ja durchaus aufpassen, dass man in Zeiten wie diesen nicht in Depressionen verfällt. Unter dem Titel „Nur düstere Aussichten?“ habe ich in den Vorarlberger Nachrichten einen Komentar dazu verfasst. Hier zum Nachlesen:

Zu Weihnachten darf man sich etwas wünschen. Ein paar Vorschläge: Mehr Solidarität mit den Bedürftigen in unserer Gesellschaft! Energischer Kampf gegen die Klimakrise! Frieden im Nahen Osten und der Ukraine! Mehr Verständnis für aus ihrer Heimat Vertriebene oder Geflüchtete! Eine Stärkung des europäischen Gedankens im neu zu wählenden EU-Parlament! Alles unrealistisch?

Das zur Neige gehende Jahr hat uns in Italien Giorgia Meloni von den postfaschistischen Fratelli d’Italia und in Argentinien den Rechtsextremen Javier Milei gebracht. In den Niederlanden wurde Geert Wilders Partei zur deutlich stärksten gewählt. Letztere propagiert den EU Austritt, leugnet die Klimakrise und will Moscheen schließen. Wilders hat sogar eine „Kopflumpen-Steuer“ Steuer für Muslimas gefordert. Und in den USA steht Donald Trump schon wieder ante portas. Wenn solche Leute regieren, ist wohl klar, dass extreme gesellschaftliche Auseinandersetzungen die Folge sein werden. Also nur düstere Aussichten für nächstes Jahr?

All diese Entwicklungen sind Zeichen einer zunehmend unsolidarischen Gesellschaft in der gesamten westlichen Welt. Statt eines gemeinschaftlichen „Wir“ steht zunehmend nur noch das „Ich“ im Vordergrund. Gewerkschaften und die Kirchen schwächeln, der Egoismus triumphiert allerorten.

Und Österreich?

Damit sind wir schon in Österreich, wo die FPÖ derzeit von einem Umfragehoch zum nächsten stürmt. Und das mit einem Mann an der Spitze, der ein Pferdeentwurmungsmittel als Schutz vor Corona empfohlen hat, unabhängigen Journalisten „Manieren beibringen“ will und als Innenminister den Verfassungsschutz derart unterminiert hat, dass trotz eindeutiger Hinweise ein mörderisches Attentat in Wien stattfinden konnte.

Kickl hat bei der „FPÖ-Österreich-Tour“ seine Fans eingeladen, sie mögen doch stumpfe Messer und Scheren mitbringen und diese dann vor der Veranstaltung von einem Profi-Schleifer gratis schärfen lassen. Ja läuten denn da nicht alle Alarmglocken? Ein Messer-Wetzen bei einer politischen Veranstaltung? Warum ist bei uns angesichts solch nahezu unverhüllter Gewaltbereitschaft kaum mehr ein Aufschrei zu vernehmen?

Victor Klemperer, Holocaust-Überlebender und Linguist, hat in Bezug auf die Sprache der Nationalsozialisten gemeint: „Worte können sein wie winzige Arsendosen – sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da.“ Das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ bezeichnete diese Analyse als „vorweggenommenen Kommentar zu den giftigen Tönen, die derzeit aus dem Lager der FPÖ dringen“.

Es gibt aber auch Hoffnung: In Polen haben sich im letzten Jahr die konstruktiven und proeuropäischen Kräfte gesammelt und einen überraschenden Wahlsieg errungen. Das wäre doch eine Ansage für Österreich! Oder, um es mit dem Dichter Friedrich Hölderlin zu sagen: „Wo die Gefahr wächst, wächst das Rettende auch!“

21. Mai 2023

Die ÖVP und andere Abgründe

2023-05-22T09:17:17+02:0021.05.23, 16:06 |Kategorien: Parteien|Tags: , , , , |

Was hat Österreich und was hat speziell die ÖVP aus dem Skandal nach der Veröffentlichung des „Ibiza-Videos“ gelernt? Nicht viel, fürchte ich. Unter dem Titel „Ibiza und andere Abgründe“ habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar verfasst. Hier zum Nachlesen:

Das Interview hatte es in sich, doch der explosive Inhalt löste keine nennenswerte Diskussion aus. Die Rede ist von Julian Hessenthalers Aussagen am vergangenen Mittwoch bei Armin Wolf in der ZiB2. Hessenthaler gab vor vier Jahren jenes „Ibiza- Video“ in Auftrag, das die Regierung zu Fall brachte. Zuerst mussten die freiheitlichen Hauptdarsteller Heinz-Christian Strache und sein Adlatus Johann Gudenus zurücktreten, dann folgte nach umfangreichen Korruptionsermittlungen Sebastian Kurz.

Das alles wissen wir. Doch das Interview hat mehr offenbart – und zwar nicht nur die vom Psychiater Erwin Ringel so famos beschriebenen Abgründe der „österreichischen Seele“.

Sind wir lernunfähig?

Noch immer sprechen viele vom „frischen Wind“ der Kurz-Ära. Doch welche Probleme sind damals wirklich gelöst worden? Nur dank weitgehend unkritischer und – wie wir inzwischen wissen – mit lukrativen Inseraten geköderten Boulevard-Medien konnte etwa eine „Schließung der Balkan-Route“ vorgegaukelt werden oder faktenwidrig eine gesunkene Steuerquote. Mutmaßlich zu seinen Gunsten gefälschte Meinungsumfragen taten ein Übriges zu den Wahlerfolgen von Sebastian Kurz. Vieles ist mittlerweile gerichtsanhängig.

Festzuhalten bleibt, dass durch das Ibiza-Video die Trockenlegung etlicher Korruptions-Sümpfe eingeleitet wurde. Die inzwischen berühmten Chats von Kurz-Intimus Thomas Schmid („Ich liebe meinen Kanzler“) wären ohne das Video nie bekannt geworden. Sie haben viel zur Aufdeckung von Missständen beigetragen und werden die Gerichte wohl noch lange beschäftigen. Aber hat Österreich wirklich etwas gelernt aus den aufgedeckten Skandalen? Es schaut nicht danach aus.

Blau-schwarzes Comeback?

Wie kann es sein, dass trotz der aufgedeckten Missstände eine erneute ÖVP-FPÖ-Koalition als realistische Koalitionsvariante gilt? Oder gar FPÖ-ÖVP mit einem Kanzler Herbert Kickl? Letzteres wird nur noch von wenigen in der ÖVP und von keinem einzigen prominenten Bundes- oder Landespolitiker als „No-Go“ bezeichnet.

Die FPÖ kratzt inzwischen sogar trotz aller Skandale und ihrem Dauerscheitern in all ihren bisherigen Koalitionen auf Bundesebene an der 30-Prozent-Marke. Falter-Herausgeber Armin Thurnher zitiert dazu den Autor Wilhelm Pevny, der einen aus der Feder Franz Grillparzers stammenden berühmten Monolog über „den Österreicher“ aktualisiert: „Er wählt immer wieder seinen Untergang, / und will es nachher nicht gewesen sein. / … Getäuscht von seinen alten Führern / wendet er sich sorglos neuen zu.“ Eine beklemmende Zustandsbeschreibung!

Das Hessenthaler-Interview war übrigens vor allem deshalb so brisant, weil er von etlichen weiteren Videos sprach, die bislang unbekannt geblieben sind. Er würde sie natürlich zur Verfügung stellen, niemand aber habe bislang danach gefragt. Man darf gespannt sein, ob Behörden und Medien demnächst bei ihm anklopfen. Von öffentlichem Interesse sind die Bänder ganz gewiss!

Wofür ich stehe?

Ich stehe für soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles über meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, Anträge und Ausschussarbeit.


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