12. Dezember 2022

Demokratie in Gefahr

2022-12-16T15:26:11+01:0012.12.22, 8:42 |Kategorien: Gesellschaft, Menschenrechte, Parteien|Tags: , , |

Das Demokratieverständnis hierzulande wir nie besonders ausgeprägt. Wolfgang Schüssel und Sebastian Kurz haben es zudem weiter unterminiert und diesbezüglich weiteren und leider wohl nachhaltigen Schaden angerichtet. Unter dem Titel „Demokratie in Gefahr“ habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar verfasst. Hier zum Nachlesen:

Viele schüttelten letzte Woche ungläubig den Kopf: Eine Großrazzia bei Rechtsextremen in Deutschland, Österreich und Italien förderte zutage, dass es konkrete Putsch-Pläne gegeben hat. Involviert sind Personen aus der „besseren Gesellschaft“, aus Politik, Militär und der Polizei. Der deutsche Verfassungsschutz spricht von einer sehr realen Gefahr und mehreren zehntausend Menschen, die in organisierter Form der „Szene“ angehören. Verwiesen wird auch auf enge Verbindungen nach Österreich.

Leute wie die Möchtegern-Putschisten sind eine Gefahr. Die noch größere Gefahr aber ist eine schleichende Entwicklung, von der bereits die „Mitte der Gesellschaft“ erfasst ist. Auch dort machen sich inzwischen autoritäres Denken und eine allmähliche Abkehr von demokratischen Werten breit.

„Skandalrepublik“

Als Ursache dieser Entwicklung auf „Ibiza“, Korruption, die unsäglichen Chat-Protokolle oder die vielen anderen Skandale zu verweisen, greift zu kurz. Wie Viktor Orbán, der „Trumpismus“ in den USA und andere national-populistische Bewegungen belegen, handelt es sich um kein rein österreichisches, sondern um ein weit verbreitetes Phänomen. Aber es gibt heimische „Spezifika“.

Bei uns waren es politische Provokateure wie Jörg Haider oder Heinz-Christian Strache, die antiliberales Denken mehrheitsfähig gemacht haben und mit der Schaffung von Feindbildern erfolgreich waren. Wolfgang Schüssel und Sebastian Kurz, sein nachgeborener und inzwischen ehemaliger Superstar, haben dieses Denken durch ihre Mesalliancen mit der FPÖ politisch salonfähig gemacht. Heute will die ÖVP sogar die Menschenrechtskonvention „überdenken“. Das alles hat das Vertrauen in unser Wertesystem unterminiert und autoritäres Denken gefördert.

„Starker Führer“

Seit Jahren erhebt das SORA-Institut, wie sich in unserem Land die Einstellung der Menschen zur Demokratie entwickelt. Die letzte Woche präsentierten Ergebnisse des „Österreichischen Demokratie Monitor“ können daher zwar kaum überraschen, sind aber dennoch erschreckend: Erstmals wird ein „starker Führer, der sich nicht um Parlament und Wahlen kümmern muss“ an der Spitze des Staates nicht mehr mehrheitlich abgelehnt. 26 Prozent wünschen sich diesen „starken Führer“ sogar ausdrücklich.

Nur noch 34 Prozent glauben zudem, dass unser politisches System gut funktioniert, vor fünf Jahren waren es mit 64 Prozent fast doppelt so viele. Die Forscherinnen und Forscher des SORA-Instituts halten daher in der gebotenen Deutlichkeit fest: „Die Demokratie erlebt eine Vertrauenskrise und ist ernsthaft bedroht.“

Rechten Gewalttätern und Gefährdern der Demokratie kann und muss der Staat mit polizeilichen Mitteln entgegentreten. Aber das schleichende Gift des autoritären Denkens aus den Köpfen eines immer größer werdenden Teils unserer Gesellschaft zu bekommen, ist wesentlich schwieriger. Da ist neben dem Staat vor allem die Zivilgesellschaft gefordert.

30. Mai 2022

ÖVP-Korruptionsprobleme

2022-05-30T11:04:03+02:0030.05.22, 10:57 |Kategorien: Parteien|Tags: , |

Die Korruptionsproblene der ÖVP sind inzwischen ein gesamtösterreichisches Problem. Immerhin handelt es sich um eine „staatstragende“ Partei, deren Zustand auf mittlere Sicht die innenpolitische Stabilität gefährdet. Unter dem Titel „‚Schwarzes‘ Geld“ habe ich in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar dazu verfasst. Hier zum Nachlesen:

Was ist los in der ÖVP? Gegen Dutzende Spitzenfunktionäre ermittelt die Staatsanwaltschaft, der Wirtschaftsbund „scheitert“ zu eigenen Gunsten am Steuergesetz, der Seniorenbund kassiert Hilfsgelder aus dem „Covid-Topf“, obwohl Parteien und Vorfeldorganisationen ausdrücklich von Förderungen ausgeschlossen sind.

Die ÖVP-Oberösterreich argumentiert, der Verein „Seniorenbund“ – er hat fast zwei Millionen erhalten − sei unabhängig. Der Parteienfinanzierungsexperte Hubert Sickinger hält dem entgegen, dass man mit dem Beitritt zum „gemeinnützigen Verein“ automatisch auch der ÖVP beitrete. Er spricht von einer versuchten „Flucht aus dem Parteiengesetz“. Die Flucht ist misslungen.

Warum hat ausgerechnet die ÖVP in Oberösterreich so viel Geld gebraucht? Weil dort letztes Jahr Wahlen stattgefunden haben? Obmann und Alt-Landeshauptmann Josef Pühringer zur Verwendung der Gelder: „Im Wahlkampf kann sich das schon mal ein bisschen vermischen.“ Bestätigt hat er die Verwendung für Personalkosten. Sein eigener Landesgeschäftsführer widerspricht. Warum wohl?

Verhaltenskodex

Die Reaktion des Bundesparteiobmanns? Künftig gelte für alle Mitglieder ein „Verhaltenskodex“: „Wer sich nicht dranhält, der hat auch keine Zukunft in dieser Partei.“ Das ist allerdings fast auf den Tag genau zehn Jahre her und war eine Reaktion von Obmann Michael Spindelegger auf damals aufgeflogene ÖVP-Skandale. Spindelegger versprach verpflichtende „Ethikseminare“ für alle Funktionäre. Falls sie stattgefunden haben: Auswirkungen sind ebenso wie beim „Kodex“ nicht zu erkennen. Von Parteiausschlüssen wegen Nichteinhaltung der Selbstverständlichkeiten ist nichts bekannt, von überhandnehmender Unverfrorenheit hingegen vieles.

Ein Beispiel ist die Überschreitung der gesetzlichen Höchstausgaben bei diversen Wahlen. Sickinger rechnete am Beispiel der ÖVP vor: Das Ignorieren der Obergrenze hat dank der Stimmengewinne über zusätzliche Parteienförderung ein Mehrfaches des Geldes „eingespielt“. Eine gute „Investition“? Nein, vom Rechtlichen ganz abgesehen eine demokratiepolitisch gefährliche Wettbewerbsverzerrung.

„Zugeschaut“

Bezahlt werden die unverschämten Griffe in diverse Geldtöpfe schlussendlich von uns allen. ÖVP-Landeparteiobmann Markus Wallner hat bei Bekanntwerden des Wirtschaftsbund-Skandals zugegeben, er habe zu lange „zugeschaut“. Wer „zuschaut“, kennt die Sachlage. Die Frage ist, wo in der Vergangenheit noch überall „zugeschaut“ wurde.

Als der „Falter“ berichtete, die ÖVP habe 2019, die Überschreitung der Wahlkampfkosten-Obergrenze bewusst geplant, wurde er von der ÖVP geklagt: Das Oberlandesgericht Wien hat die Klage abgewiesen.

Der Versuch, die Missstände auf die türkise Kurz-ÖVP zu schieben, scheitert angesichts der Faktenlage. Unter „Schwarzgeld“ versteht man an sich unversteuerte Einnahmen. Die „schwarze“ ÖVP lässt inzwischen eine neue Begriffsdefinition zu.

18. Mai 2022

Wie hältst Du’s mit den Grünen?

2022-05-18T08:59:29+02:0018.05.22, 8:56 |Kategorien: Parteien|Tags: , , |

Der Kurier hat nachgefragt: Wie hältst Du’s mit der Grünen Position zu Landeshauptmann Wallner? Wie schaut die Performance der Grünen auf Bundesebene aus? Hier zum Nachlesen:

Von Raffaela Lindorfer

„Mein Vertrauen ist schwer erschüttert“

Harald Walser. Der Ex-Politiker geht vom Rücktritt Markus Wallners aus und befürchtet, dass Skandale beim Koalitionspartner auf die Grünen abfärben

Die Vorarlberger Grünen haben am Mittwoch beim Misstrauensantrag gegen Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) nicht mitgestimmt – und ihn damit vor der Abwahl bewahrt. Warum die Grünen angesichts von Korruptionsvorwürfen gegen den Koalitionspartner – in Bund und Land – nicht längst aufstehen, hat der KURIER mit Grün-Urgestein Harald Walser, selbst Vorarlberger, besprochen.

KURIER:Die Grünen halten dem Landeshauptmann weiter die Stange – können Sie das nachvollziehen?

Harald Walser: Ja, da gewinnt Realpolitik gegen das Herz. Beim Misstrauensantrag mitzugehen, hätte das Ende der Koalition bedeutet – und der Schaden für das Land wäre viel, viel größer gewesen.

Die Koalition im Ländle ist gerettet – zu welchem Preis?

Der Preis ist noch akzeptabel. Es gibt eine Reihe von Vorwürfen, teils berechtigt, teils steht Aussage gegen Aussage. Wenn es eine Anklage gegen Wallner gibt, schaut es aus meiner Sicht anders aus.

Die rote Linie ist erst bei Anklage überschritten? Hat eine Partei wie die Grünen nicht höhere Ansprüche?

Anstand, Sauberkeit – das hat bei uns Tradition, betrifft aber die eigenen Leute. Wie die anderen Parteien handeln, das ist deren Angelegenheit.

Wie bewerten Sie, dass der Landeshauptmann nach Publikwerden der Vorwürfe sein Diensthandy und sein Tablet austauschen ließ?

Das erweckt den Eindruck, dass da etwas faul ist. Mein Vertrauen als Staatsbürger in den Landeshauptmann ist schwer erschüttert. Aber in der politischen Abwägung ist das noch kein zwingender Rücktrittsgrund.

Glauben Sie, wird Wallner doch noch zurücktreten?

Der Druck ist enorm – wenn das so weitergeht, dann ist der Rücktritt unausweichlich. Das ist aber seine persönliche Entscheidung.

Wechseln wir auf die Bundesebene: Befürchten Sie, dass die Korruptionsvorwürfe gegen die ÖVP auf die Grünen abfärben?

Ja, leider. Die Grünen sind mit in der Ziehung, ohne einen eigenen Beitrag geleistet zu haben.

Warum stehen die Grünen dann nicht auf und gehen?

Ich muss den altmodischen Begriff der „politischen Verantwortung“ strapazieren: Es gibt keine Alternative zur grünen Regierungsbeteiligung. Schwarz-Rot hat jahrelangen Stillstand bedeutet, Schwarz-Blau war eine Schreckenskoalition. Schwarz-Grün bringt doch einiges weiter, und darum geht es in der Politik schlussendlich. Das macht die Situation erträglicher.

Es rechnet sich also noch?

Parteipolitisch vielleicht nicht: In Umfragen geht es für beide Parteien deutlich nach unten. Aber es rechnet sich für die Republik.

Ist das wirklich purer Altruismus – oder nicht auch die Lust an der Macht?

Das ist sicher auch ein Faktor. Die Regierungsbeteiligung ist etwas, das wir Grüne immer wollten. Wir tun das, weil wir unsere Ziele erreichen und Österreich weiterbringen wollen – bei Klimaschutz, bei der Korruptionsbekämpfung …

Und wie zufrieden sind Sie mit dem bisher Erreichten?

Es gab Anfangsschwierigkeiten, gerade die Probleme mit den Gesundheitsministern waren offenkundig. Die ÖVP war da mehr Koalitionsfeind als Koalitionspartner, sie hat bei Rudi Anschober von Anfang an hintertrieben. Die Verkehrs- und die Justizministerin (Leonore Gewessler und Alma Zadić; Anm.) machen einen sehr guten Job, sie sind echte Lichtblicke. In anderen Bereichen würde ich mir mehr wünschen.

Wo zum Beispiel?

Erstens sollte der Kampf gegen den Rechtsextremismus stärker im Fokus stehen. Zweitens war Bildung immer ein Schwerpunkt bei uns Grünen, das ist sie jetzt nicht mehr. Dabei ist das ein absolutes Zukunftsthema.

Sie sagten einmal, Sie wünschen sich eine „lautere Basis“. Was meinen Sie damit?

Wenn ich mir anschaue, wie es vor Jahrzehnten beim Bundeskongress zugegangen ist und was das jetzt für eine zahme Veranstaltung ist … Wir sind auf dem Weg zu einer stinknormalen Partei. Es dürfte durchaus mehr Diskussion und Kritik sein.

Welche Chancen würden Sie für die Grünen sehen, wenn Neuwahlen kämen?

Das ist unmöglich vorherzusagen. 2017 hatten wir im Frühjahr noch Höchstwerte in den Umfragen, im Herbst sind wir dann aus dem Nationalrat geflogen.

Für wie wahrscheinlich halten Sie Neuwahlen – auf einer Skala von 1 bis 10?

6 – aber weder die ÖVP noch die Grünen können momentan ein Interesse an Neuwahlen haben.

Wäre Werner Kogler dann der Richtige als Spitzenkandidat und Parteichef?

Das hängt davon ab, ob er noch Lust hat, die Partei zu führen. Wenn ja, dann spricht nichts dagegen.

Wofür ich stehe?

Ich stehe für soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles über meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, Anträge und Ausschussarbeit.


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