5. August 2023

„Bargeld-Debatte“

2023-08-06T14:12:13+02:0005.08.23, 19:58 |Kategorien: Allgemein, Nationalrat|Tags: , , |

Die „Bargeld-Debatte“ ist in jeder Hinsicht entbehrlich. Sie entbehrt jeder Grundlage, da der österreichische Gesetzgeber gar nicht in der Lage ist, entsprechende Gesetze zu erlassen. Das kann nur die EU. Sie ist politisch verheerend, weil die ÖVP wieder einmal ein Thema der extremen Rechten forciert. Unter dem Titel „Bargeld-Debatte“ habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar verfasst. Hier zum Nachlesen:

Gerald Fleischmann hat in der österreichischen Politik tiefe Spuren hinterlassen. Er stand hinter dem Aufstieg von Sebastian Kurz, fiel dann aber wie fast alle anderen aus der schwarz-türkisen „Buberlpartie“ im Zuge der vielen Korruptionsskandale sehr tief und musste seinen wohldotierten Job aufgeben.

Karl Nehammer übernahm die Partei, konnte den Abwärtstrend aber nicht stoppen. Der nicht gerade charismatische neue Parteichef wusste aufgrund massiver Einbrüche bei Landtagswahlen und einem Absturz bei Umfragen auch auf Bundesebene nicht mehr ein und aus. Und er holte in seiner Not Fleischmann zurück in die ÖVP-Bundeszentrale.

Und siehe da: Fleischmann hatte eine Idee und veränderte die bis dahin weitgehend sachliche, wenn auch nicht reformfreudige Politik. Erfolg stellte sich allerdings nicht ein, Umfragen bleiben hartnäckig im Keller. Die alten Rezepte ziehen halt nicht mehr. Beim zweiten Aufkochen wird zwar eine Gulaschsuppe besser, in der Politik aber schmeckt Aufgebrühtes selten gut.

Ablenkungsmanöver

Fleischmanns Rezept: Man werfe Nebelgranaten, wenn man das Scheitern der politisch Verantwortlichen bei den wirklich drängenden Problemen vernebeln möchte. Das gelang zwar unter Sebastian Kurz, als man für alle innenpolitischen Probleme mit der Migrationsbewegung eine einzige Ursache ausmachen wollte. Heute aber braucht es Neues.

Jetzt versucht die ÖVP ein anderes Kochrezept: Obwohl nirgends in Österreich oder der EU die Abschaffung des Bargelds gefordert wird, wollen Nehammer und seine ÖVP das Recht auf Bargeld im Verfassungsrang einzementieren. Damit sind sie ein weiteres Mal voll auf Linie mit extrem rechten Parteien wie der FPÖ und der deutschen AfD. Wie aber kamen Fleischmann und der Kanzler auf diese Idee?

Wer zahlt 10.000 Euro bar?

Die EU-Kommission will zur Geldwäschebekämpfung bei Geschäftstransaktionen eine Bargeld-Obergrenze zwischen 7000 und 10.000 Euro. Dass Parteien, die tief in Korruptionsaffären verwickelt sind, damit keine Freude haben, liegt auf der Hand. Der offenkundig von Fleischmann inszenierte Pro-Bargeld-Vorstoß hat daher mehr als nur ein „Gschmäckle“. Viele Menschen fragen sich zurecht: Wer außer Kriminellen will Rechnungen von 10.000 Euro und mehr heute noch bar bezahlen? „Normal“ ist das jedenfalls nicht, um die ÖVP-Normalitätsdebatte zu bemühen.

Martin Selmayr, Vertreter der EU in Österreich, gibt Nehammer übrigens Nachhilfe im Verfassungsrecht: Beim EU-Beitritt kam es vor fast drei Jahrzehnten zur Übertragung der Währungssouveränität auf die EU. Und die EU garantiert seit 1999 Bargeld als Zahlungsmittel. Österreich könnte ein vom Kanzler angekündigtes Verfassungsgesetz also gar nicht beschließen – und muss es nicht, weil es von der EU bereits garantiert ist. Peinlich für Nehammer, wenn er das nicht weiß. Erschütternd, wenn er die Forderung dennoch aufgestellt hat. Selmayr ist übrigens ebenfalls Christdemokrat.

27. März 2023

Porsche jubelt, das Klima nicht!

2023-03-27T09:05:00+02:0027.03.23, 8:58 |Kategorien: Allgemein, Klima und Umwelt|Tags: , |

Politik lebt von Kompromissen. Man darf sie also nicht verächtlich machen. Was da am Wochenende in Brüssel als Einigung beim Streit über das Ende des Verbrennermotors herausgekommen ist, muss allerdings als „fauler Kompromiss“ bezeichnet werden. Unter dem Titel „Freie Fahrt für Porsche!“ habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar veröffentlicht. Hier zum Nachlesen:

Man kann nur den Kopf schütteln darüber, was da auf EU-Ebene am Samstag auf Druck von Deutschland – eigentlich der FDP – und leider auch Österreich als „Kompromiss“ gefeiert wurde: Das längst beschlossene Aus für Verbrennermotoren ab 2035 wird gekippt. Zugelassen werden künftig auch Autos, die mit E-Fuels betankt werden. Europa setzt also hartnäckig auf eine klimafeindliche Uralt-Technik.

Das Problem: E-Fuels sind alles andere als „grün“, haben einen Wirkungsgrad von gerade einmal 13 Prozent und somit eine verheerende Energiebilanz: Die Wissenschaft verweist darauf, dass der Strom einer 3-Megawatt-Windturbine zwar für 1600 E-Autos reicht, aber gerade mal für 250 mit E-Fuels betriebene.

Kilmaschutz nachrangig?

„Deutschland hat damit maximalen Schaden angerichtet“, kommentierte die Korrespondentin der ARD: „Viktor Orbán wird dankbar zur Kenntnis nehmen, dass gefasste Beschlüsse nicht eingehalten werden müssen.“ Über die Hintertür könnte dank Deutschland und Österreich künftig eventuell sogar Atomstrom ein grünes Mäntelchen erhalten und von der EU mit Milliardenbeträgen subventioniert werden.

Frankreich beharrte nämlich bislang auf einem vollständigen Aus für Verbrennermotoren, hat am Freitag aber plötzlich einen möglichen Kompromiss angedeutet: Wenn Atomstrom als „Grüne Technologie“ deklariert und gefördert werde, dann könne man vom strikten Aus für den Verbrenner absehen. Für Klima und Umwelt ist das eine „Lose-lose-Situation“. Selbsternannte „Wirtschaftsparteien“ wie die FDP oder die ÖVP sind offenkundig unfähig, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

Politik für Porsche-Fahrer

In der ZiB2 ärgerte sich der britische Transport- und Umweltexperte Alex Keynes: „Wir verzögern gerade eines der wichtigsten Klimagesetze, weil sich die deutsche FDP für reiche Porsche-Fahrer einsetzt. Das macht keinen Sinn.“

Auch Ferdinand Dudenhöfer, Deutschlands führender Autoexperte, schüttelt den Kopf: Die deutsche Autoindustrie habe den Trend zur E-Mobilität eh schon verschlafen und sei daher heute im Vergleich zu Frankreich erheblich im Rückstand. Ganz zu schweigen von China, das ausschließlich auf E-Fahrzeuge setzt, der größte Markt für Autos ist und schon jetzt die preisgünstigsten E-Autos verkauft. Und auch in den USA weiß man, was es geschlagen hat.

Dudenhöfer warnt: Europas Autokonzerne geraten technologisch noch weiter in Rückstand, verschwenden sinnlos Milliarden und viel Hirnschmalz für Forschung in eine veraltete Technologie. Sind wir wirklich unfähig, die Zeichen der Zeit zu erkennen? Bestimmt mit der FDP der politische Arm des Porsche-Konzerns die europäische Klima-Politik? Muss ausgerechnet Österreichs klimapolitischer Steinzeitkanzler das auch noch unterstützen und somit gleichzeitig als Förderer von Atomstrom auftreten? Es darf sich niemand wundern, wenn denkende und engagierte Jugendliche verzweifeln. Ich habe Verständnis für die sogenannten „Klimakleber“!

27. Februar 2023

Rein in die NATO?

2023-02-27T08:27:50+01:0027.02.23, 8:24 |Kategorien: Allgemein|Tags: , , |

Sollen wir die Neutralität aufgeben? In einem von durchwegs honorigen Persönlichkeiten unterschriebenen Brief wird das mehr oder weniger gefordert. „Mehr oder weniger“ – nicht ganz untypisch für Österreich: Vor einer klaren Positionierung drücken sich die Unterzeichner:innen nämlich. Unter dem Titel „Rein in die NATO?“ habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar verfasst. Hier zum Nachlesen:

Der Ukrainekrieg verursacht nicht nur unfassbares menschliches Leid – er stellt auch vermeintliche Gewissheiten infrage. Schweden und Finnland wollen ihren neutralen Status aufgegeben und NATO-Mitglieder werden. Sollten wir in Österreich diesem Beispiel folgen?

Nun haben sich 40 durchwegs hochangesehene Persönlichkeiten gefunden, die in einem „offenen Brief“ eine „Debatte ohne Scheuklappen“ einfordern – um sogleich am eigenen Anspruch zu scheitern. Sie stufen nämlich die Neutralität als „anachronistisch“ ein, fordern aber nicht ihre Abschaffung. Was also? Eine Diskussion ohne Diskussionsanstoß?

Neutralitätsgesetz

Am 26. Oktober 1955 hat der Nationalrat die „immerwährende Neutralität“ beschlossen. Im Artikel I heißt es, der Beschluss werde „aus freien Stücken“ gefasst. Wenn Freiwilligkeit extra betont wird, muss man genauer hinschauen. Das gilt auch in diesem Fall.

Österreich wollte damals unbedingt ein Ende der Besetzung unseres Landes durch die vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs. Diese waren gesprächsbereit, stellten aber Bedingungen. Die damalige Sowjetunion etwa wollte verhindern, dass Österreich der NATO beitritt und verlangte dafür Garantien.

Österreich unterzeichnete daher am 15. April 1955 das „Moskauer Memorandum“ und gab die Zusicherung einer „immerwährenden Neutralität“ nach dem Vorbild der Schweiz. So ganz „aus freien Stücken“ war der Beschluss im Nationalrat vom Oktober 1955 also nicht.

Spiel mit dem Feuer

Natürlich hat sich durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine die Sicherheitslage in Europa geändert. Im Gegensatz zu Österreich haben Schweden und Finnland keine völkerrechtlichen Verträge unterschrieben, die einem NATO-Beitritt widersprechen. Ist es heute in Österreich klug, in dieser angespannten Situation und als Standort internationaler Organisationen wie der UNO oder der OSZE an der Neutralität zu rütteln? Oder ist das ein Spiel mit dem Feuer?

Man sollte sich die Geschichte des Staatsvertrages sowie die rechtlichen Verpflichtungen, die Österreich eingegangen ist, um ihn überhaupt zu ermöglichen, in Erinnerung rufen, bevor man allzu schnell die Grundlagen des Staatsverständnisses vieler Österreicherinnen und Österreicher über Bord wirft.

Sollen wir also die Neutralität aufgeben und wie Schweden und Finnland eine NATO-Mitgliedschaft anstreben? Von den Unterzeichnern der Petition fehlt eine Positionierung. Ein Mehr an Sicherheit wäre damit jedenfalls nicht verbunden – schon heute sind wir ja von NATO-Staaten umgeben. Ein internationaler Bedeutungsgewinn unseres Landes wäre ebenso wenig zu erwarten – vielmehr stünde unser Status als neutraler Boden für Verhandlungen und internationale Verständigung infrage. Solange nicht über innereuropäische Sicherheitsarchitektur diskutiert wird, sollten wir daher nicht an einem Grundpfeiler unserer Verfassung rütteln.

Wofür ich stehe?

Ich stehe für soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles über meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, Anträge und Ausschussarbeit.


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