Gestern forderte die Wirtschaftskammer eine Senkung der Lohnnebenkosten. Ohne zu sagen, welche Leistungen dafür gekürzt werden sollen. Zum Jahresende forderte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger überhaupt eine Steuersenkung und konkretisierte das ebenfalls nicht. Unter dem Titel „Zu hohe Steuern?“ habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar verfasst. Hier zum Nachlesen:

Wer hätte am Monatsende nicht gern mehr Geld? NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger sprach sich im ORF-Bilanzinterview zum Jahresende für eine Steuerentlastung aus: „Die Österreicher zahlen genug Steuern!“ Diese müssten gesenkt werden. Die Forderung der NEOS ist uralt, eine Präzisierung fehlt aber leider: Wo soll das fehlende Geld eingespart werden? Beim Bildungsbudget? Der Kleinkind-Betreuung? Im Gesundheits- und Sozialsystem? Bei den Pensionen?

Vorbild USA?

Die USA haben unter Ronald Reagan genau diesen Weg beschritten. Mit fatalen Auswirkungen. Seither stagniert das Einkommen der Arbeiterschicht, die Lebenserwartung sinkt, die Ultrareichen zahlen weniger Steuern als einfache Angestellte. Der US-amerikanische Nobelpreisträger Joseph Stiglitz: „Unser jetziges Wirtschaftssystem ist das Ergebnis von Spielregeln, die wir über die letzten 40 Jahren neu geschaffen haben. Und zwar in einer Weise, welche Arbeiter benachteiligt und den Machtausbau von Unternehmen fördert.“

Auch in Europa eifern einige den USA nach. Die Auswirkungen sind etwa in Großbritannien zu besichtigen: marode Infrastruktur, darniederliegendes Gesundheitssystem etc.

Und Österreich?

Meinl-Reisinger schloss in ihrer Bilanz übrigens auch die Einführung einer Erbschaftssteuer aus. Österreich ist eines der ganz wenigen Länder auf der Welt, das keine Erbschaftssteuern einhebt – mit dem ebenso schlichten wie falschen Argument, man dürfe bereits besteuertes Einkommen nicht noch einmal besteuern. Aber: Wer gestorben ist, bezahlt bekanntlich keine Steuern mehr. Und wer erbt, hat dafür noch keine Steuern bezahlt.

Im Gegensatz zu einer Erbschaftssteuer gibt es hingegen sehr wohl eine Doppelbesteuerung für fast jeden von uns. Jeder Einkauf im Supermarkt, jedes Essen im Gasthaus oder am Würstelstand, die Miete – das alles unterliegt der Umsatzsteuer und wird mit jenem Geld bezahlt, das von der Lohn- oder Einkommenssteuer übrig geblieben ist. Wer in der Erbschaftssteuer eine Doppelsteuer sieht, müsste folgerichtig auch die Umsatzsteuer abschaffen. Diesen Unsinn hat bislang noch niemand gefordert.

Der Verzicht auf eine Erbschaftssteuer ist ein nicht nachvollziehbares Steuergeschenk des Staates an Wohlhabende und Reiche, denn Arme können kaum etwas vererben. Laut Arbeiterkammer besitzen zwei Drittel der Vorarlberger keine Immobilie, zehn Prozent hingegen 75 Prozent der Flächen. Und der Mittelstand? Er wäre nach allen derzeitigen Vorschlägen durch hohe Freibeträge wie in fast allen anderen Ländern von der Steuer befreit.

Genau diese einfache Tatsache hat dazu geführt, dass es in der westlichen Welt praktisch überall eine Erbschaftssteuer gibt. Zurecht, denn sie ist eine Frage der Steuergerechtigkeit. Das wäre vielleicht auch eine Denksportaufgabe für jene, die die Steuer so vehement ablehnen und damit das Geschäft der Superreichen betreiben.