15. Februar 2020

Ziffernnote ja oder nein?

2020-02-15T09:38:07+01:0015.02.20, 9:30 |Kategorien: Bildung|Tags: |

Lassen wir mal alle wissenschaftliche Forschung beiseite. Hier der Bericht eines Großvaters. Walter Fink – pensionierter Kulturchef des ORF – in den „Vorarlberger Nachrichten“:

„Mitten im Streit um die Ziffernnoten an Volksschulen hatte ich ein wunderbares Erlebnis. Meine Enkeltochter, Schülerin in der vierten Montessori-Klasse in der Volksschule Augasse, lud mich ein, an ihrem „Schatzkistentag“ dabei zu sein. Unter diesem Begriff versteht man, dass die Schüler all das, was sie im vergangenen Semester gelernt und geleistet haben, einem von ihnen ausgewählten Kreis präsentieren. Das Ergebnis ist ganz außerordentlich. Da steht ein zehnjähriges Mädchen und redet fast zwei Stunden über ihre Arbeit, erzählt, wie sie was gemacht und wie ihr das auch Freude gemacht hat. So kann man natürlich auch lernen, denke ich mir, ohne Stress und Druck von zu Hause. Denn die Schülerinnen und Schüler der ersten bis vierten Stufe sind in einer Klasse zusammengefasst, die Jüngeren lernen von den Älteren, die Schwächeren von den Besseren. Sie sind den ganzen Tag in der Schule, um vier am Nachmittag kommen sie heim, niemand muss sich darum kümmern, ob die Hausaufgabe gemacht ist. Das alles wird in der Schule erledigt.

In dieser Schatzkiste lag auch eine verbale Beurteilung meiner Enkeltochter. Einmal abgesehen davon, dass sie das Glück hat, eine gute Schülerin zu sein: Was hier auf einer Seite alles angesprochen wurde ist so gut beobachtet, zeigt die Stärken und Schwächen eines Kindes, redet auch über soziales Verhalten, über Entwicklungsmöglichkeiten in verschiedenen Fächern, in Mathematik, Deutsch, musischen Fächern, sportlichen Leistungen. Was ich sagen will: Diese von der Lehrerin großartig formulierte Seite sagt so viel mehr über meine Enkeltochter aus als das offizielle Zeugnis, das eine Woche später folgte, dass mir die Vorteile einer schriftlichen Beurteilung gegenüber einer Ziffernnote geradezu ins Auge sprang.

Zerstört die gute Arbeit

Durch diese Praxis hat sich mir gezeigt, wie weit unsere Schulpolitik von der schulischen Wahrheit entfernt ist. Denn wenn nun gefordert wird, dass ab der dritten Volksschule Ziffernnoten zu geben sind, dann sehen diese Herren Politiker nicht, was sie zerstören. Und in diesem Fall muss man den Bildungspolitikern der ÖVP die Rute ins Fenster stellen. Was sie hier fordern, zerstört die gute Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer. Und noch zum Ende: Wenn man sieht, wie viel Druck auf junge Menschen im Halbjahreszeugnis ausgeübt wird, weil davon der Übertritt ins Gymnasium abhängt, dann sieht man die Notwendigkeit einer ganztägigen Schulform bis 14 Jahre. Das würde den Druck von Eltern, Kindern und Lehrern nehmen – und wieder viel Freiraum für Bildung lassen.“

13. Januar 2020

Nein zum Notenzwang!

2020-01-13T14:18:15+01:0013.01.20, 14:16 |Kategorien: Bildung|Tags: , |

Unter diesem Titel habe ich in meiner Kolumne in den „Vorarlberger Nachrichten“ ein Plädoyer gehalten für eine Rückkehr zur schulautonomen Entscheidung Für oder Wider die Ziffernnote. Hier mein Text:

Sehr gut! Der Lustenauer Verein „Gemeinsam Zukunft Lernen“ hat eine Petition unter dem Titel „Nein zum Notenzwang“ gestartet und fordert, dass an den Volksschulen eine alternative Leistungsbeurteilung möglich sein soll.

Derzeit ist das nicht so, weil die türkis-blauen Regierung die Rückkehr zur verpflichtenden Ziffernnote beschlossen hatte und diese pädagogisch widersinnige Regelung auch unter Türkis-Grün nicht rückgängig gemacht wird. Versprochen wurde damals eine angebliche „Notenwahrheit“. Die wäre ja zu begrüßen, aber Ziffernnote und „Notenwahrheit“ sind leider sehr weit voneinander entfernt.

Ungerechte Noten

Das haben sowohl die vielen praktischen Feldversuche als auch nationale und internationale Testungen mehrfach unter Beweis gestellt. Leistungen von Kindern und Jugendlichen in den einzelnen Fächern werden nämlich von den Lehrkräften sehr unterschiedlich bewertet. Selbst in Mathematik reicht das Benotungsspektrum für dieselbe Arbeit von „Sehr gut“ bis „Nicht genügend“.

In der vierten Klasse Volksschule haben 20 Prozent der Kinder mit einem „Sehr gut“ in Deutsch die gleichen Testleistungen (!) wie die besten Kinder mit „Nicht genügend“. Beurteilungsgerechtigkeit bei „benachbarten“ Noten ist noch schwerer auszumachen. Das belegt die internationale PIRLS-Studie.

Lehrkräfte haben ausreichend Erfahrung mit alternativen Leistungsbeurteilungen: verbale Beurteilungsformen, Eltern-Kind-Gespräche oder Pensenbücher sind Beispiele dafür. Das alles hat sich seit Jahrzehnten in 2000 Schulversuchen bei insgesamt 3000 Volksschulen bewährt.

Gut für welche Kinder?

Wem helfen Ziffernnoten eigentlich? Ein in einem Fach mit „Gut“ bewertetes und begabtes Kind aus einer Akademikerfamilie beispielsweise blieb eventuell weit unter seinen Möglichkeiten und hat wenig Fleiß und Engagement gezeigt. Verdient es daher wirklich eine bessere Note als das mit „Befriedigend“ benotete Kind aus einer bildungsfernen Familie, das sich die Note mit viel Fleiß und Einsatz erkämpft hat?

Künftig kann dieses „Befriedigend“ in der dritten Klasse den Übertritt in eine AHS verhindern, obwohl das Kind großes Entwicklungspotenzial aufweist. Akademikerkinder haben sogar bei gleicher (!) Lesekompetenz eine doppelt so hohe Chance auf ein „Sehr gut“ im Zeugnis wie Kinder aus bildungsfernen Schichten.

Das verstärkt die Ungerechtigkeit unseres Schulsystems. Seit über 40 Jahren rügt uns die OECD zurecht, weil durch die zu frühe Trennung der Kinder mit neuneinhalb Jahren Bildung viel stärker als in anderen Ländern „vererbt“ wird.

Wer wirklich für hohe pädagogische Qualität ist, mehr Leistung fordert und Gerechtigkeit will, ist gegen die ungerechte Ziffernnote. Der im Internet leicht zu findenden Lustenauer Initiative ist daher viel Erfolg zu wünschen!

26. Dezember 2019

Braucht es wirklich „Sonderschulen“?

2019-12-26T16:00:50+01:0026.12.19, 16:00 |Kategorien: Bildung|Tags: , |

In einem Kommentar in den „Vorarlberger Nachrichten“ habe ich ein Plädoyer für ein inklusives Bildungssystem gehalten: „Sonderschule?“. Eine angesprochene Schule in Feldkirch hat mich in einem Leserbrief wüst beschimpft und in die Schule „eingeladen“. Ich habe natürlich sofort zugesagt, aber seither leider nichts mehr gehört.

Eine andere „Sonderschule“ in Lustenau hat mich gleichzeitig weniger spektakulär und weniger medienwirksam eingeladen. Auch dort habe ich natürlich sofort zugesagt und auch einen Termin bekommen: Es war ein spannender Vormittag in Lustenau, und ich schätze die exzellente Arbeit der Lehrkräfte dort sehr. Schön auch, dass wir uns im Ziel – der Inklusion – einig waren und nur den Weg dorthin etwas unterschiedlich sehen. Hier mein Kommentar zum Nachlesen, weil der Link oben eventuell nur einegschränkt funktioniert: Sonderschule

Wofür ich stehe?

Ich stehe für soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

Hier erfahren sie mehr…

Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles über meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, Anträge und Ausschussarbeit.


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