griechenland-euroVorneweg: Ich bin kein Ökonom und maße mir daher auch nicht an, im Detail zu beurteilen, welche Strategien nun in Griechenland dazu angetan sind, das Land aus der Krise zu führen. ExpertInnen „für eh alles“ haben wir zuhauf.

Ich habe aber die Berichte und Kommentierungen studiert und mich – wenn immer möglich – mit Personen unterhalten, die mehr Expertise aufweisen als ich. Meine politische Haltung ist mit Sicherheit nicht an der Seite der neoliberalen Lobby einzuordnen. Als Historiker erinnere ich mich an die Zwischenkriegszeit und das damalige ökonomische Desaster sowie an die Maßnahmen, die nach 1945 die darniederliegenden europäischen (insbesondere die deutsche und österreichische) Volkswirtschaften wieder in Gang gebracht hatten. Und vor allem, wie sich Deutschland um die Reparationszahlungen (nicht zuletzt an Griechenland) gedrückt hat, nachdem das Land vorher durch die deutschen Besatzer systematisch ausgeblutet wurde (Österreich wurde Dank des Opferstatus erst gar nicht belangt).

Am Sonntag war nun in den deutschen und österreichischen TV-Kanälen Griechenland-Bashing pur angesagt, auf ARD beispielsweise bei Günther Jauch „Showdown im Schuldenstreit – was wird aus Griechenland?“, wo ein neoliberales Trio samt dem sich in Koketterie übenden Moderator auf einen griechischen Syriza-Sympathisanten eintrommelte. In ORF 2 wurde bereits im Titel von „Im Zentrum“ darauf hingewiesen, wohin denn die Talk-Reise führen sollte: „Tage der Entscheidung – Griechenlands Spiel mit dem Feuer“. Die ökonomische Analyse wurde hier einem Vertreter des neoliberalen Vereins EcoAustria überlassen.

Wer aber spielt da nun mit dem Feuer? Die griechischen Banken sollen nach den gescheiterten Verhandlungen mit den internationalen Geldgebern eine Woche lang geschlossen bleiben. Die Folgen sind nicht wirklich absehbar.

Während hierzulande immer noch jene dominieren, die Premier Alexis Tsipras die alleinige Schuld am Scheitern geben und eine „Reformbereitschaft“ einklagen, geben durchaus sehr unterschiedliche Fachleute besonnenere Analysen ab. Der ehemalige deutsche Bundeskanzler (und alles andere als ein Linksaußenpolitiker) Helmut Schmidt meinte im „Handelsblatt“ („Der Teufel soll sie holen, wenn sie Griechenland nicht retten“): „Die Sparerei ist eine der Ursachen für die Depression.“

Der renommierte österreichische Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister fordert in den Salzburger Nachrichten einen „New Deal für Europa“, ein Ende der Kürzungen von Sozialleistungen und Pensionen, eine radikale „Einschränkung der Finanz-Alchemie“ sowie massive öffentliche Investitionen und eine unternehmerfreundliche Politik. Und da sind noch die Ökonomen Joseph Stiglitz, Paul Krugman, die beide die EU-Sparpolitik aufs Schärfste kritisieren und Thomas Piketty, der zuletzt in „Die Zeit“ daran erinnerte, dass Deutschland weder nach dem Ersten noch nach dem Zweiten Weltkrieg seine Schulden getilgt hatte.

Die deutsche Tageszeitung „taz“ bringt zudem ein wenig Licht in das Dunkel der Verhandlungen zwischen der griechischen Regierung und den Geldgebern. Sie widerlegt einige jener Behauptungen, die in den letzten Tagen immer wieder zu hören waren (Rotzfrech gelogen) und macht einen Faktencheck zu Griechenland:

  • Der Vorschlag der EU hätte „ein Wachstumsprogramm mit 35 Milliarden Euro speziell für Griechenland“ enthalten – stimmt nicht!
  • Rentenkürzungen seien nicht vorgesehen gewesen – stimmt nicht!
  • Erleichterungen für die griechischen Staatsschulden seien in Aussicht gestellt worden – stimmt nicht!

Damit der Sack der Frechheiten gegenüber Griechenland noch vollgemacht wird, warnte der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg Griechenland vor einem Absenken seiner (im Übrigen immer wieder kritisierten exorbitant hohen) Militärausgaben: „Stoltenberg positionierte sich damit klar gegen Reformvorschläge, die auf Kürzungen der Militärausgaben im griechischen Haushalt zielten.“ (Nato-Generalsekretär: Griechenland soll Rüstungszahlungen einhalten)

Den Hasardeuren der EU und aus dem IWF scheint es egal zu sein, welches Desaster die Austeritätspolitik bereits jetzt in Griechenland angerichtet hat: eine Arbeitslosenrate von über 25 Prozent (50% unter den Jugendlichen), 40 Prozent der Bevölkerung ohne Krankenversicherung und – am Ende aller Kürzungsmaßnahmen – mit 180 Prozent eine weitaus höhere Staatsverschuldung als zu Beginn der Krise. Von den EU-Geldern profitierten in erster Linie die Banken und die Schulden wurden auf die öffentliche Hand umgewälzt.

Das ist nicht mein Europa, in dem ich leben will. Wir tun jedenfalls gut daran, sehr genau hinzuschauen, bevor wir das moralische Fallbeil über Griechenland senken.

(Foto: griechenland-deals/pixelio.de)