18. September 2023

Braune Töne

2023-09-18T08:43:18+02:0018.09.23, 8:43 |Kategorien: Geschichte und Rechtsextremismus, Gesellschaft, Nationalrat|Tags: , |

Über die verschluderte politische Kultur in Österreich und warum die ÖVP daran die Hauptschuld trägt: Dazu habe ich unter dem Titel „Braune Töne“ in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar verfasst. Hier zum Nachlesen:

In Deutschland gibt es bei allen demokratischen Parteien im Bundestag eine glasklare Linie: keine Packeleien mit der FPÖ-Schwesterpartei AfD. Am vergangenen Freitag führte im Bundesland Thüringen schon ein unabgesprochenes gemeinsame Stimmverhalten von CDU, FDP und AfD zu heftigen bundesweiten Reaktionen.

In Österreich führen nicht einmal eindeutig rechtsextreme Töne zu einem Aufschrei. Wie haben uns in den letzten Jahren schon an zu viel gewöhnt. An viel zu viel!

Gewöhnungseffekt

Etwa an die vielen gemeinsamen Auftritte von außerparlamentarischen Rechtsextremen und der FPÖ bei Kundgebungen und Demonstrationen. Oder an die Berichte des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, in denen immer wieder FPÖ-Funktionäre auftauchen.

Zuletzt bezeichnete FPÖ-Chef Herbert Kickl ein in Stil und Inhalt an Nazi-Propagandistin Leni Riefenstahl orientiertes Video seiner Nachwuchsorganisation gar als „großartig“. Da tauchten etliche ideologische Vorkämpfer der NSDAP ebenso auf wie junge Männer im Hitlerjugend-Haarschnitt, die unter dem Motto „Wir wollen eine Zukunft“ sehnsuchtsvoll auf den „Hitler-Balkon“ am Heldenplatz schauten. Die übrigen Parlamentsparteien zeigten sich immerhin entsetzt. Die konservative „Neue Zürcher Zeitung“ sah „eine rote Linie“ überschritten.

Mit ständigen bräunlich eingefärbten Provokationen will die FPÖ zudem die rechtsextremen „Identitären“ gesellschaftsfähig machen. Kickl vergleicht sie mit Greenpeace, die FPÖ in Salzburg mit dem Alpenverein und dem SOS-Kinderdorf. Alle diese Organisationen reagieren zwar wütend, es nutzte aber recht wenig. Das Schlimme: Nicht wenige politische Beobachter erwarten die FPÖ in der nächsten Regierung.

FPÖ als Regierungspartei?

In Niederösterreich wurde die Landeshauptfrau im Wahlkampf vom aus der Liederbuch-Affäre („Mit sechs Millionen Juden, da fängt der Spaß erst an“) bekannten FPÖ-Spitzenkandidaten Udo Landbauer – selbst hat er iranische Wurzeln – als „Moslem-Mama“ verhöhnt, die von der FPÖ nicht zur Landeshauptfrau gemacht werde. Auch Johanna Mikl-Leitner versicherte, mit der FPÖ „sicher“ kein Bündnis einzugehen. Heute sitzen beide in einer ÖVP-FPÖ-Koalition. Ähnliches gibt es aus Salzburg und Oberösterreich zu berichten.

Was ist also davon zu halten, wenn uns heute die Bundes-ÖVP verspricht, „ganz sicher“ keine Koalition mit der „Kickl-FPÖ“ einzugehen? Zu erinnern ist an die Jahrtausendwende, als der damalige ÖVP-Chef verkündete, „ganz sicher“ in Opposition zu gehen, wenn seine Partei nur auf dem dritten Platz lande. Nach der Wahl ging er als Drittplatzierter mit der FPÖ einen Pakt ein und wurde Bundeskanzler.

ÖVP-PolitikerInnen verweisen gerne darauf, dass es ja auch eine „bürgerliche“ FPÖ gebe. Das mag in Teilen so sein, ändert aber nichts daran, dass die FPÖ schon bei ihrer Gründung ein Sammelbecken ehemaliger Nationalsozialisten war und deren Gedankengut – siehe freiheitliche Jugendorganisation – die Jahrzehnte überstanden hat.

5. August 2023

„Bargeld-Debatte“

2023-08-06T14:12:13+02:0005.08.23, 19:58 |Kategorien: Allgemein, Nationalrat|Tags: , , |

Die „Bargeld-Debatte“ ist in jeder Hinsicht entbehrlich. Sie entbehrt jeder Grundlage, da der österreichische Gesetzgeber gar nicht in der Lage ist, entsprechende Gesetze zu erlassen. Das kann nur die EU. Sie ist politisch verheerend, weil die ÖVP wieder einmal ein Thema der extremen Rechten forciert. Unter dem Titel „Bargeld-Debatte“ habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar verfasst. Hier zum Nachlesen:

Gerald Fleischmann hat in der österreichischen Politik tiefe Spuren hinterlassen. Er stand hinter dem Aufstieg von Sebastian Kurz, fiel dann aber wie fast alle anderen aus der schwarz-türkisen „Buberlpartie“ im Zuge der vielen Korruptionsskandale sehr tief und musste seinen wohldotierten Job aufgeben.

Karl Nehammer übernahm die Partei, konnte den Abwärtstrend aber nicht stoppen. Der nicht gerade charismatische neue Parteichef wusste aufgrund massiver Einbrüche bei Landtagswahlen und einem Absturz bei Umfragen auch auf Bundesebene nicht mehr ein und aus. Und er holte in seiner Not Fleischmann zurück in die ÖVP-Bundeszentrale.

Und siehe da: Fleischmann hatte eine Idee und veränderte die bis dahin weitgehend sachliche, wenn auch nicht reformfreudige Politik. Erfolg stellte sich allerdings nicht ein, Umfragen bleiben hartnäckig im Keller. Die alten Rezepte ziehen halt nicht mehr. Beim zweiten Aufkochen wird zwar eine Gulaschsuppe besser, in der Politik aber schmeckt Aufgebrühtes selten gut.

Ablenkungsmanöver

Fleischmanns Rezept: Man werfe Nebelgranaten, wenn man das Scheitern der politisch Verantwortlichen bei den wirklich drängenden Problemen vernebeln möchte. Das gelang zwar unter Sebastian Kurz, als man für alle innenpolitischen Probleme mit der Migrationsbewegung eine einzige Ursache ausmachen wollte. Heute aber braucht es Neues.

Jetzt versucht die ÖVP ein anderes Kochrezept: Obwohl nirgends in Österreich oder der EU die Abschaffung des Bargelds gefordert wird, wollen Nehammer und seine ÖVP das Recht auf Bargeld im Verfassungsrang einzementieren. Damit sind sie ein weiteres Mal voll auf Linie mit extrem rechten Parteien wie der FPÖ und der deutschen AfD. Wie aber kamen Fleischmann und der Kanzler auf diese Idee?

Wer zahlt 10.000 Euro bar?

Die EU-Kommission will zur Geldwäschebekämpfung bei Geschäftstransaktionen eine Bargeld-Obergrenze zwischen 7000 und 10.000 Euro. Dass Parteien, die tief in Korruptionsaffären verwickelt sind, damit keine Freude haben, liegt auf der Hand. Der offenkundig von Fleischmann inszenierte Pro-Bargeld-Vorstoß hat daher mehr als nur ein „Gschmäckle“. Viele Menschen fragen sich zurecht: Wer außer Kriminellen will Rechnungen von 10.000 Euro und mehr heute noch bar bezahlen? „Normal“ ist das jedenfalls nicht, um die ÖVP-Normalitätsdebatte zu bemühen.

Martin Selmayr, Vertreter der EU in Österreich, gibt Nehammer übrigens Nachhilfe im Verfassungsrecht: Beim EU-Beitritt kam es vor fast drei Jahrzehnten zur Übertragung der Währungssouveränität auf die EU. Und die EU garantiert seit 1999 Bargeld als Zahlungsmittel. Österreich könnte ein vom Kanzler angekündigtes Verfassungsgesetz also gar nicht beschließen – und muss es nicht, weil es von der EU bereits garantiert ist. Peinlich für Nehammer, wenn er das nicht weiß. Erschütternd, wenn er die Forderung dennoch aufgestellt hat. Selmayr ist übrigens ebenfalls Christdemokrat.

16. Januar 2023

Sobotka ist untragbar!

2023-01-16T11:03:30+01:0016.01.23, 11:01 |Kategorien: Nationalrat|Tags: |

Eine wirkliche Neuigkeit ist es ja nicht: Der politische „Problembär“ Wolfgang Sobotka ist mehr als nur ablösereif. Die Wiedereröffnung des Parlaments letzte Woche hat das neuerlich unter Beweis gestellt. Unter dem Titel „Peinlicher Festakt“ habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten Stellung bezogen. Hier zum Nachlesen:

Es war kein Ruhmesblatt für den österreichischen Parlamentarismus, was da letzte Woche bei der Wiedereröffnung des sehr schön, aber auch extrem teuer sanierten Parlamentsgebäudes in Wien geboten wurde.

Eröffnungsfeierlichkeiten in Zeiten der Krise sind zugegebenermaßen Balanceakte: In diesem Fall müssen sie einerseits der Bedeutung des Gebäudes als „Herzstück unserer Demokratie“ gerecht werden, andererseits aber dürfen weder die Probleme der Menschen und die gegenwärtigen Krisen ausgespart werden noch darf durch allzu lockeren Umgang mit Steuergeld gerade in dieser Institution der Verdacht der Geldverschwendung aufkommen.

Balanceakt missglückt

Ersteres misslang schon mit der Einladung an den ehemaligen deutschen Politiker Wolfgang Schäuble, die Festrede zu halten. Dass angesichts der Geschichte Österreichs ausgerechnet ein deutscher Politiker die Rede gehalten hat, kam insbesondere bei historisch Interessierten nicht gut an. Erwartungsgemäß nutzte Schäuble die ihm gebotene Möglichkeit für erzkonservative Positionierungen, bagatellisierte den Kampf gegen die Klimakrise, den Kampf um ein humanes Asylrecht sowie um die Rechte von Frauen und diverser Personen. Immerhin hat SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner latent wissenschaftskritische Passagen in Schäubles Rede umgehend zurückgewiesen.

Verantwortlich für den völlig missglückten Balanceakt war als oberster Herr und Meister im Hohen Haus Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka.

Falsche Signale

Gut – beziehungsweise eher schlecht – in Erinnerung sind etwa noch seine einsame Entscheidung zur Anschaffung eines goldenen Bösendorfer-Flügels für den Empfangssalon des Parlaments und die Benennung von Räumen und Gängen im Hohen Haus am Ring: vom Romy-Schneider-Wintergarten bis zum Friedrich-August-von-Hayek-Gang.

Die von Sobotka im Alleingang durchgesetzte Anmietung eines Bösendorfer-Flügels um jährlich 36.000 Euro ist ein Musterbeispiel für Geldverschwendung. Der offizielle Listenpreis des teuersten FBösendorfer-Flügels – Lebensdauer über 100 Jahre – beträgt 175 010 Euro inklusive Mehrwertsteuer. Aber Sobotka reichte das nicht, er wollte einen vergoldeten Konzertflügel.

Im Parlament, dem vielbesungenen „Herzstück der Demokratie“, ist nun mit Hayek ein Raum nach einer Person benannt, die der Demokratie ablehnend gegenüberstand und etwa den korrupten Diktator Augusto Pinochet gelobt hat. Der hatte Hayeks mit dem Nobelpreis belohnte neoliberale Wirtschaftstheorie in Chile brutal durchgesetzt – mit systematischer Folter, vieltausendfachem Mord und Mordanschlägen auch außerhalb der Staatsgrenzen.

Dass Sobotka bei dieser altväterisch konzipierten Veranstaltung solche Signale und kein positives an die Jugend oder sozial schlecht gestellte Menschen ausgesendet hat, muss leider nicht eigens betont werden. Herausgekommen ist ein peinlicher Festakt.

Wofür ich stehe?

Ich stehe für soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

Hier erfahren sie mehr…

Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles über meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, Anträge und Ausschussarbeit.


Zur Seite des Parlaments…