2. Februar 2017

Die Grazer FPÖ und die Bildung oder wie Bedrohungsszenarien konstruiert werden

2017-02-02T11:02:28+01:0002.02.17, 10:52 |Kategorien: Bildung, Integration, Parteien, Wahlkampf|Tags: , , |

Im vorletzten Jahr habe ich anlässlich der Landtagswahlen in Oberösterreich und Wien das Bildungsprogramm jener Partei näher angesehen, die unentwegt den Niedergang der Bildung beklagt. Quintessenz: Für die FPÖ in Oberösterreich muss wieder Law and Order in die Schulen reinkommen. Vergleichsweise sanft gaben sich die Wiener Blauen, denn in deren Wahlprogramm war das Bildungsthema gleich gar nicht vorhanden.

Nun habe ich die Grazer FPÖ unter die bildungspolitische Lupe genommen. Eines muss ich ihr lassen: Ihre bildungspolitischen Vorstellungen sind sehr kompakt und konzentrieren sich auf das Wesentliche, auf das blaue Wesentliche: Es gäbe zu viele Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache, die sind seien ein Sicherheitsrisiko und müssen daher reduziert werden. Aber sehen wir uns das genauer an:

„Auch sollte der Anteil an fremdsprachigen Volksschulkindern in Volksschulklassen nicht mehr als 30% betragen, da Integration andernfalls nicht stattfindet.“*

Wir erfahren nicht, was die FPÖ unter „fremdsprachigen Volksschulkindern“ versteht. Vermutlich sind alle gemeint, in deren Elternhaus auch noch eine andere Sprache als Deutsch gesprochen werden könnte, also auch alle Kinder, die vielleicht perfekt mehrsprachig aufwachsen. Und, so suggeriert es die FPÖ, die seien ein Sicherheitsrisiko, das „zu einer Katastrophe führen“** würde: „Tatsächlich aber werden viele Kinder und Jugendliche bereits in der Familie im Stich gelassen und auf dem späteren Bildungsweg mit Parallelgesellschaften, Ghetto- und Bandenbildung, Kriminalität und Drogen konfrontiert. Wir stehen dafür ein, dass die Jugend gerade in den sensiblen Jahren in Sicherheit und Geborgenheit aufwachsen kann. (…) Daher dürfen wir uns gewissen Wahrheiten nicht verschließen.

Die blaue „Wahrheit“ sieht so aus: „Der Anteil von Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache in Grazer Volksschulen hat einen bedenklichen Rekordwert erreicht. Von insgesamt 7.707 Grazer Volksschülern gehörten im Schuljahr 2015/16 3.770 (49%) jener Gruppe an, für die Deutsch eine Fremdsprache ist.

Die Lösung der FPÖ, eine Obergrenze von 30% für „fremdsprachige Kinder“ einzuführen, ist angesichts des durchschnittlichen Anteils von 49% bestechend, denn was soll mit den durchschnittlich 19%, die die FPÖ als zuviel definiert, passieren? „Im Zweifelsfall fordern wir jedoch eigene Klassen für jene Kinder, für die Deutsch eine Fremdsprache ist.

Also will die FPÖ Ghettoklassen, wo jene zusammengeholt werden, die nach ihren Fantasien unsere Schulen überfremden. Gleichzeitig beklagt die FPÖ jedoch, dass es Schulen gibt, die fast nur noch von „fremdsprachigen“ Kindern besucht werden: „In der Volksschule St. Andrä im Bezirk Gries war Deutsch für 142 von 143 Schulkindern eine Fremd- oder Zweitsprache.“ Also hätten wir dort genau das, was die FPÖ doch will: lauter Ghettoklassen. Ein Widerspruch? Nicht in der Erzählung der FPÖ, der es ausschließlich darum geht, Bedrohungen zu konstruieren.

Dass es das verpflichtende „Vorschuljahr“ in Form eines verpflichtenden Kindergartenjahrs bereits gibt und dass die Forderung nach „Deutsch als Pausensprache“ nicht nur nicht administrierbar, sondern auch verfassungswidrig ist, interessiert die Grazer FPÖ wohl kaum. Noch weniger ist sie daran interessiert, sich der Expertise von Fachleuten auszusetzen. Denn die haben Modelle, wie Kinder, die „Deutsch als Zweitsprache“ erlernen, erfolgreich gefördert werden können, ohne sie in gesonderte Klassen und Gruppen wegzusperren. Und die würden der FPÖ auch erklären, dass aus fachlicher Sicht bei Kindern, die hier in Österreich aufwachsen, nicht von „Deutsch als Fremdsprache“ gesprochen wird, sondern von „Deutsch als Zweitsprache“. Das passt jedoch nicht ins Konzept der FPÖ, weil es nicht bedrohlich klingt. „Deutsch als Zweitsprache“ könnte aber eine wünschenswerte Realität beschreiben: Kinder erlernen parallel mehrere Sprachen. Das wäre nämlich ein Vorteil, den wir als Gesellschaft erkennen und bestmöglich fördern und nutzen sollten.

Übrigens, der Vergleich macht Sie sicher. Hier das, was die Grazer Grünen zur Bildung zu sagen haben: http://www.graz.gruene.at/wahlprogramm2017/grundsatzprogramm-2017.pdf

*FPÖ Graz, Kapitel „Bildung & Jugend“: https://www.fpoe-graz.at/bildung-jugend/
**http://diepresse.com/home/innenpolitik/5131007/FPOe-peilt-bei-Grazer-Gemeinderatswahl-zweiten-Platz-an

7. Mai 2015

„Deutsch als Pausensprache“ und österreichischer Parlamentarismus

2015-05-08T08:45:51+02:0007.05.15, 13:25 |Kategorien: Bildung, Nationalrat|Tags: , , |

moedling_pausenspracheDie letzte Debatte mit den Freiheitlichen zum Thema Sprache ist noch nicht so lange her („Deutschstunde für die FPÖ!“), schon beschäftigt uns ein neues, aber durchaus ähnliches Thema.

Sie erinnern sich: Im März wurde bekannt, dass die Direktorin einer Schule in Mödling eine äußerst seltsame Order an ihre SchülerInnen ausgegeben hatte: „Auf Grund eines interkulturellen Konfliktes mit dem Reinigungspersonal wird darauf hingewiesen, dass im gesamten Schulhaus (auch in den Pausen) nur die Amtssprache Deutsch eingesetzt werden darf.“

Beim Wort „Deutsch“ reagiert die FPÖ – wir wissen es inzwischen! – wie der berühmte Pawlow’sche Hund: Sie beginnt zu hecheln. Diesmal in Form eines Antrages an den Nationalrat: „Die Bundesministerin für Bildung und Frauen wird aufgefordert, die Verordnung betreffend Schulordnung für Schulen, in denen die Unterrichtssprache Deutsch ist, dahingehend zu ändern, dass, unter Berücksichtigung der den sprachlichen Minderheiten bundesgesetzlich eingeräumten Rechte, jeder Schüler verpflichtet wird sich im Geltungsbereich der Verordnung, sofern es nicht zur Unterrichtsmethode gehört, sich ausschließlich in Deutsch zu verständigen.“

Einmal ganz abgesehen davon, dass der Antrag im typischen FPÖ-Deutsch abgefasst ist und grammatikalische Fehler aufweist, ist er aus rein fachlichen Gründen ganz einfach als Unsinn zu klassifizieren.

Der übliche parlamentarische Weg, den fast alle Anträge der Opposition nehmen, wäre nun seitens eines Mitglieds der Regierungsfraktionen ein Antrag auf Vertagung. So ist es im zuständigen Unterrichtsausschuss auch geschehen. Wäre dem zugestimmt worden, wäre dieser FPÖ-Antrag auch nie wieder diskutiert worden, denn Vertagung bedeutet eine Verschiebung bis ans Ende der Legislaturperiode, womit alle vertagten Gegenstände im Mistkübel der parlamentarischen Geschichte landen. Wird ein Antrag jedoch angenommen oder abgelehnt, kommt er in den Nationalrat und ist dort zu diskutieren.

Nun ist es mir als gelerntem Herzblutpädagogen ein großes Anliegen, mich mit der FPÖ weiter über den Gebrauch der deutschen Sprache zu unterhalten. Daher habe ich im Unterrichtsausschuss angeregt, den Antrag abzulehnen und ihn somit zur Diskussion in den Nationalrat zu bringen. Die Überraschung: Beide Regierungsparteien teilten meine Meinung und zogen den Antrag auf Vertagung zurück. Der Antrag wurde dann abgelehnt und kommt somit Ende Mai ins Plenum. Und nun freue mich auf die nächste Nationalratssitzung, wo wir das Thema „Deutsch und die FPÖ“ weiter diskutieren können – stay tuned!

Wofür ich stehe?

Ich stehe für soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles über meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, Anträge und Ausschussarbeit.


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