14. März 2016

„Sie sind für nichts, was für normale Leute gut ist.“

2016-03-14T16:14:24+01:0014.03.16, 16:15 |Kategorien: Geschichte und Rechtsextremismus, Gesellschaft, Parteien, Wahlkampf|Tags: , , , |

annewill_afdEs ist das eingetreten, was absehbar war: Die AfD hat bei den Landtagswahlen in Deutschland abgeräumt und die deutsche Parteienlandschaft gehörig durcheinander gewirbelt. Die etablierten Parteien stehen der AfD genauso ratlos gegenüber wie hierzulande unsere Parteien der FPÖ. Der Wahlsieg von Winfried Kretschmann ist der One-Man-Show eines Politikers zu verdanken, der die traditionell konservativ-bürgerliche WählerInnenschaft in Baden-Württemberg abholen konnte – nicht zuletzt deshalb, weil der dortige Landes-CDU-Chef Guido Wolf mit seinen Steilvorlagen für die Heute-Show vermutlich mehr Präsenz erreichte, als durch politisch gehaltvolle Aussagen. Kretschmanns Erfolg ist durchaus in einer Tradition zu sehen: Zwischen 1978 und 1991 war mit Lothar Späth ein Mann Ministerpräsident von Baden-Württemberg, der kurz nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl die Kernenergie als Übergangsenergie bezeichnete, der das Nachdenken über Alternativen forcierte und eine Versöhnung von Ökonomie und Ökologie postulierte. Wäre Späth nicht über eine Bestechungsaffäre gestolpert, hätte er ausgezeichnete Chancen gehabt, den damaligen Bundeskanzler Kohl zu beerben. Kretschmann kann durchaus als Erbe von Späth gesehen werden. Er gilt als authentisch wirkender Bewahrer, ein Bild, das in einem seiner Wahlspots auch vortrefflich transportiert werden konnte. Linke Politik, die der AfD und dem Rechtsruck entgegenzustehen vermag, sieht aber zweifellos anders aus. Auch in Baden-Württemberg hat die AfD mehr als 15% der Stimmen erlangt, was zu viel ist, um es einfach zu negieren. Zudem ist Kretschmann die SPD als Regierungspartner abhanden gekommen. Er muss sich nun wohl die CDU ins Boot holen. Die Differenzen dürften allerdings nicht unüberwindbar sein.

In Rheinland-Pfalz sind die Grünen wieder dort gelandet, wo sie vor fünf Jahren waren und haben mit einem Verlust von fast zwei Drittel ihrer WählerInnen den Einzug ins dortige Landesparlament gerade noch einmal geschafft. Der Fukushima-Effekt ist verpufft, die Regierungsbeteiligung an der Seite der erfolgreichen Malu Dreyer vermochte am Niedergang nichts zu ändern. Den Grünen wird in Umweltfragen Kompetenz zugebilligt, bei den wahlentscheidenden Themen offensichtlich keine oder nur wenig. Die Grünen waren, soferne den Wählerstromanalysen vertraut werden kann, auch die einzige Partei, die in einem relevanten Ausmaß Stimmen an die NichtwählerInnen verlor und im Gegenzug keine von dort holen konnte. Die AfD erreichte hier mit 12,6% das schlechteste Ergebnis von den drei Bundesländern, in denen gestern gewählt wurde.

Bleibt noch Sachsen-Anhalt: Klare Wahlverliererinnen waren die SPD und die Linke. Die CDU mit ihrem Anti-Merkel-Kurs vermochte die AfD nicht zu stoppen – im Gegenteil: Sie erntete mit ihren rechtspopulistischen Tendenzen eine AfD mit 24,2%. Positionen hoffähig zu machen, um dann jene abzulehnen, die genau diese Positionen am glaubwürdigsten vertreten, ist kurzsichtig und dumm. Der Schlingerkurs der SPD wurde ebenso abgestraft, wie die Linke, die ein Drittel ihrer WählerInnenschaft an die AfD abgeben musste. Das sollte der Linken zu denken geben: Wenn der Austausch mit der politisch entgegengesetzten Richtung so mühelos funktioniert, muss sie sich die Frage gefallen lassen, wie es denn um die eigenen Inhalte bestellt ist. Dass weder die Grünen noch die Linke Stimmen von den Nicht-WählerInnen zu rekrutieren vermochten, zeigt, wie wenig Glaubwürdiges sie den Regierungsparteien entgegenzusetzen hatte.

Was sich auch am Wahlabend gezeigt hat, war die geschlossene Ablehnung der AfD durch die anderen Parteien. Die Absage an Koalitionen mit rechtsextremen Parteien ist in Deutschland somit sehr viel deutlicher als in Österreich. Das bekam die stellvertretende Bundesvorsitzende der AfD, Beatrix von Storch, gestern im Polittalk „Anne Will“ deutlich zu spüren. In seltener Einigkeit demontierten die VertreterInnen der anderen Parteien die AfD-Politik: „Sie sind für nichts, was für normale Leute gut ist“, fasste es der SPD-Politiker Ralf Stegner prägnant zusammen. Fehlt nur noch die Politik, die für die „normalen Leute“ gut ist. Das sollte Stegner ganz besonders seiner SPD mitteilen. Und vielleicht könnte er es auch der SPÖ flüstern …

8. Februar 2016

Aula-Affäre: Justizministerium top – Rechtsschutzbeauftragter flop?

2016-02-08T18:36:40+01:0008.02.16, 18:26 |Kategorien: Geschichte und Rechtsextremismus|Tags: , , , , |

aula_duswaldEines ist in der Affäre rund um den Aula-Artikel von Fred Duswald und die Einstellung des Verfahrens gegen ihn mitsamt der Einstellungsbegründung festzuhalten: Dass sich das Justizministerium in Person von Sektionschef Christian Pilnacek so klar gegen den Artikel selbst aber auch gegen die Einstellungsbegründung der Grazer Staatsanwaltschaft ausgesprochen hat, ist bemerkenswert und erfreulich: „’Diese Begründung ist unfassbar und in sich menschenverachtend’, sagte Strafrechtssektionschef Christian Pilnacek zur APA. Die ‚unsägliche Diktion’ des Artikels sei damit nachträglich gerechtfertigt worden. (…) Konsequenzen müsse es jedenfalls geben, so Pilnacek, der eine Verletzung des Vier-Augen-Prinzips vermutet. Er sprach von einer ‚groben Fehlleistung’ und betonte: ‚Die Staatsanwaltschaft, wir alle müssen dafür sorgen, dass solche fehlgeleiteten Begründungen nicht mehr passieren.’“ (http://science.orf.at/stories/1767147/) Ich stimme dem Sektionschef zu: Konsequenzen muss es geben. Aber dass hier nur das „Vier-Augen-Prinzip“ verletzt wurde, ist zu bezweifeln.

Kaum waren die wohltuenden Worte des Sektionschefs öffentlich geworden, widersprach ausgerechnet der Justiz-Rechtsschutzbeauftragte Gottfried Strasser, dem die Aufgabe obliegt, den Ausgang von Verfahren zu bewerten und sie gegebenenfalls zu beeinspruchen, in einer für mich unfassbaren Art und Weise: „Die Begründung zur Verfahrenseinstellung, (…) habe er für unbedenklich gehalten, ‚und ich halte sie nach wie vor für unbedenklich’. Dass es im KZ auch inhaftierte Rechtsbrecher gegeben habe, sei ein historisches Faktum und auch durch Aussagen in Gerichtsverfahren zu Mauthausen bestätigt. Und auch auf Erlebnisse aus seiner Kindheit, die er im Umfeld des KZ Mauthausen verbrachte, verwies er.
Großteils seien es zwar russische Kriegsgefangene gewesen, die nach der Befreiung des KZ Mauthausen Hilfe gesucht hätten, so Strasser. Seine Großmutter hätte diese immer wieder mit Suppe zu versorgen versucht, erinnerte er sich. Gleichzeitig habe es aber auch Kriminelle gegeben, die von der SS im Lager als Capos eingesetzt worden seien. Ein Mann habe seinen Vater – einen Polizisten – damals sogar mit einer Pistole bedroht.“ (APA-Meldung)

Dass nun Ereignisse generell nicht vom Hörensagen zu bewerten sind, sollte ein Jurist eigentlich wissen. Oma und Opa können zweifelsfrei wertvolle ZeitzeugInnen sein. Dass deren Erzählungen jedoch nicht reichen, um historische Ereignisse in einem größeren Kontext zu sehen und einzuordnen, sollte aber ebenfalls zum Allgemeinwissen eines Juristen zählen. Wenn es hierbei auch noch um Epochen wie jene des Nationalsozialismus und der Zeit danach geht, wo das historische Gedächtnis der involvierten Tätergesellschaft entweder komplett ausgelassen hat oder zu exkulpierenden Interpretationen und Sichtweisen tendierte, dann sind die Aussagen dieser ZeitzeugInnen noch kritischer zu bewerten. Es steht mir nun keineswegs zu, der Großmutter und dem Vater des Rechtsschutzbeauftragten irgendeine bestimmte politische Gesinnung zuzuschreiben, aber ich darf daran zweifeln, dass deren Aussagen für die Bewertung des Aula-Artikels von größerer Relevanz sein können.

Es bestreitet niemand, dass es im Mai 1945 zu Strafhandlungen wie beispielsweise zur Plünderung von Lebensmitteln seitens ehemaliger KZ-Häftlinge gekommen ist. Es ist auch zu gewalttätigen Übergriffen durch Häftlinge gleich nach der Befreiung noch innerhalb der KZs gekommen und zwar in erster Linie gegenüber den verhassten Kapos. Aber das alles rechtfertigt nicht einmal ansatzweise Behauptungen, in denen ehemalige Häftlinge pauschal kriminalisiert und als „Massenmörder“ bezeichnet werden sowie als „Horde“, die mit den sowjetischen Befreiern „in der Begehung schwerster Verbrechen“ gewetteifert hätte. Wenn das historische Wissen des Rechtsschutzbeauftragten nun derart fragmentarisch ist, dass er Formulierungen rechtfertigt, von denen sich alle Fachleute distanzieren, dann ist zu hinterfragen, ob er als Rechtsschutzbeauftragter imstande ist, ein Verfahren wie jenes gegen Duswald zu beurteilen. Dass er auch nichts dabei fand, als selbst die Oberstaatsanwaltschaft per Erlass ihr Befremden über die Einstellungsbegründung zum Ausdruck gebracht hatte, irritiert nun zusätzlich und zeigt auf dramatische Art und Weise die noch immer fehlende Sensibilität von Teilen der Justiz im Umgang mit dem Nationalsozialismus auf.

Der Rechtsschutzbeauftragte Strasser ist der einzige, der die Wiederaufnahme des Verfahrens bewirken hätte könnte. Der wollte das allerdings nicht tun, zum jetzigen Zeitpunkt auch mit dem Hinweis, dass die Frist dafür verstrichen sei. Wenn der Rechtsschutzbeauftragte nicht tätig wird oder werden kann, werde ich erneut Anzeige erstatten. Das Mindeste, was ich erwarte, ist eine sachgerechte Begründung im Falle einer neuerlichen Abweisung meiner Anzeige.

6. Februar 2016

Skandalbegründung der Grazer Staatsanwaltschaft

2016-02-12T14:51:28+01:0006.02.16, 18:58 |Kategorien: Geschichte und Rechtsextremismus|Tags: , , , , , , , |

mauthausen_befreiungsfeierNach meiner Anzeige gegen den als rechtsextrem bekannten Aula-Autor Fred Duswald (u.a. in den 1970er-Jahren Funktionär der später verbotenen NDP unter Norbert Burger) und den Herausgeber der Aula, Martin Pfeiffer, hatte ich aus Kenntnis anderer Fälle befürchtet, dass es zu keiner Anklage gegen die beiden Herren kommen würde, obwohl sich das Zentralorgan der FPÖ-Burschenschafter, die Aula, zunehmend in Richtung neonazistisch bewegt. Womit ich nicht gerechnet hatte, war die Art, wie die Einstellung des Verfahrens seitens der Staatsanwaltschaft Graz begründet wurde. Nicht nur ich, sämtliche von mir befragten ExpertInnen waren schockiert. Daher habe ich an den Justizminister eine Parlamentarische Anfrage, die auch den Aula-Artikel und das Begründungsschreiben der Staatsanwaltschaft Graz enthält, gestellt. Gestern berichtete die ZiB 2 darüber.

Meine zentralen Kritikpunkte:

Die Begründung der Staatsanwaltschaft zur Einstellung des Verfahrens gegen den Aula-Herausgeber und gegen den Autor Fred Duswald beruht wohl ausschließlich auf dem Aula-Artikel selbst und einem kurzen Verlagstext zum Buch, das Duswald in seinem Artikel vermeintlich rezensiert hat. Es wurden offensichtlich weder Fachleute noch die Autorin des angeblich von Duswald besprochenen Buches hinzugezogen. Auch Sekundärliteratur als Basis für die Begründung wurde offensichtlich nicht verwendet.

In der Einstellungsbegründung wird in skandalöser Weise indirekt die NS-Judikatur fortgeschrieben, indem die während der NS-Zeit als „Kriminelle“ internierten KZ-Häftlinge nach der „allgemeinen Lebenserfahrung“ (wie es in der Begründung wortwörtlich heißt!) aufgrund ihrer kriminellen Energie Straftaten auch nach der Befreiung verübt hätten.

Zudem lässt die Staatsanwaltschaft jeglichen historischen Kontext außer Acht, wodurch es etwa als „nachvollziehbar“ bezeichnet wird, dass die befreiten Häftlinge „eine Belästigung für die betroffenen Gebiete Österreichs“ darstellten. Die Staatsanwaltschaft übernimmt hier ungeniert die Täter-Opfer-Umkehr des Autors.

Die Autorin des von Duswald rezensierten Buches distanziert sich aufs Schärfste von der Besprechung, wirft ein, dass Duswald die von ihr recherchierten Fakten verdreht habe und bezichtigt Duswald in einer schriftlichen Stellungnahme der Lüge. Ein Faktum, das die Staatsanwaltschaft nicht interessiert haben dürfte.

Das Verfahren gegen Duswald und Pfeiffer war berichtspflichtig, was bedeutet, dass die Einstellungsbegründung in den oberen Etagen (Oberstaatsanwaltschaft, Justizministerium) gutgeheißen wurde. Meiner Information nach könnte die Begründung nicht von der unterzeichneten Staatsanwältin, sondern sogar von einem renommierten Staatsanwalt verfasst worden sein.

Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) bescheinigt der österreichischen Justiz eine mangelhafte Auseinandersetzung in der Vergangenheit mit ihrer Rolle im Nationalsozialismus. Aus der Außensicht als Strafrechtsprofessor konnte er in den 1980er-, 1990er- und 2000er-Jahren keine Vergangenheitsbewältigung beobachten, sagte der Minister bei einer Diskussionsveranstaltung zur Rolle der Justiz vor, während und nach der Zeit des Nationalsozialismus am Bezirksgericht Meidling am Montagabend (18.1.2016, H.W.). (http://derstandard.at/2000029370409/Brandstetter-fordert-Erinnerungskultur-der-Justiz-ein)

Justizminister Brandstetter hat nun bis Ende März Zeit, auf meine Parlamentarische Anfrage, in der ich ihn über das Zustandekommen dieser Begründung befrage, zu antworten. 71 Jahre nach Ende des Holocaust muss klar sein, wer die Täter und wer die Opfer waren. Am 15. Mai werde ich bei der Befreiungsfeier des KZ Mauthausen wieder auf einige treffen, die das oberösterreichische Vernichtungslager und seine Mordmaschinerie überlebt haben. Gerade ihnen sind wir es schuldig, dass wir eine neuerliche Verunglimpfung der Opfer nicht widerspruchslos akzeptieren. Das müssen auch die Staatsanwaltschaft Graz und das Justizministerium zur Kenntnis nehmen.

 

Wofür ich stehe?

Ich stehe für soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles über meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, Anträge und Ausschussarbeit.


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