17. April 2017

Der Dreck am Stecken der Anti-Demokraten

2017-04-17T18:04:05+02:0017.04.17, 18:00 |Kategorien: Bildung, Geschichte und Rechtsextremismus, Gesellschaft, Integration|Tags: , , , |

Das Erstaunen war gestern groß, als die Meldungen kamen, dass mehr als 70 Prozent der in Österreich lebenden türkischen Staatsbürgerinnen beim Referendum für die Verfassungsänderung in der Türkei votiert hatten. Dass hierzulande nicht einmal die Hälfte der Wahlberechtigten mitgestimmt hatte, dass diese auch nur einen Teil der hiesigen Community ausmacht, ging in den erregten Kreisen unter – beziehungsweise, sie verschwiegen es: „Über 70% der Austro-Türken stimmen für Erdogan-Diktatur“, schleuderte Strache ins blaue Facebook-Universum und eröffnete damit einmal mehr das verbale Halali auf blaue Feindbilder.

Ich bin kein Türkei-Experte, da gibt es zahlreiche Berufenere, um das gestrige Referendum zu kommentieren und die Entscheidungsmotive tiefergehend zu erklären. Es wird wohl ein Bündel an Gründen geben, warum Menschen, die hier leben, für ein System stimmen, dem sie selbst nicht ausgeliefert sind. Diejenigen, die sich in der Türkei offen gegen Erdoğan und seine AKP stemmen, werden wohl vielfach versuchen, das Land zu verlassen. Sie werden, so viel ist zu befürchten, hier auch nicht willkommen sein. Denn es geht nicht darum, ob Erdoğan Demokratie und Rechtsstaat sukzessive zu Grabe trägt, und es geht nicht darum, dass er über die Einführung der Todesstrafe abstimmen lassen will, denn die politischen Vorstellungen der Rechtsextremen gehen vielfach mit jenen von Erdoğan und vieler seiner Anhänger konform.

Wenn in Erhebungen festgestellt wird, dass der Anteil der Menschen, die sich einen starken Führer an der Spitze unseres Staates wünschen oder vorstellen können, bedrohlich im Steigen ist, dann geht es auch auf das Konto derer, die mit verlogenen Argumenten gegen Erdoğan und die „Austro-Türken“ mobilmachen.

Starker Führer

Quelle: SORA 9/2016*

Diejenigen, die mit ihrem Stecken in Richtung Türkei weisen, um damit ihren eigenen Dreck nur woanders hinzuschleudern, sind alles mögliche, nur keine besseren DemokratInnen. Aber es hilft nichts, sich irgendwelche Zahlen schönzureden. Wenn über 38.000 Menschen hier mit ihrer Stimme zur Schwächung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in einem Land beigetragen haben, in dem sie nicht leben müssen, und zudem auch noch die Einführung der Todesstrafe in Kauf nehmen, dann haben wir uns damit zu beschäftigen. Genauso, wie mit jenen fast 40 Prozent, die sich trotz der historischen Katastrophe des Nationalsozialismus heute wieder einen starken Führer wünschen.

Es ist bezeichnend, dass wir zu den autoritären Einstellungen in Österreich kaum valide Daten und keine neueren umfassenden Studien haben. Dabei wäre es gerade jetzt wichtig, mit Vermutungen und Spekulationen aufzuräumen und den Trends gezielt entgegenzusteuern: mit politischer Bildung, mit mehr Demokratie, mit Integration, die ihren Namen verdient und vor allem mit der Festigung sozialstaatlicher Sicherungsmaßnahmen. Denn populistische Anti-Demokraten und Scharfmacher brauchen wir nicht, völlig egal, welcher Herkunft.

Und hier der Link zur Sora-Untersuchung.

9. Januar 2017

Politische Bildung und/oder Digitale Kompetenzen?

2017-01-09T11:46:53+01:0009.01.17, 11:46 |Kategorien: Bildung, Medien|Tags: |

Politische-Bildung_jetztKinder und Jugendliche müssen umgehen lernen mit Hassposting und unseriösen Internetquellen. Dieses Anliegen von Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (Hammerschmid will „digitale Kompetenzen“ an Schulen) ist prinzipiell zu begrüßen. Deshalb müssten „digitale Kompetenzen“ mehr als bisher schon in der Volksschule und den Schulen der Sekundarstufe I unterrichtet werden – angedacht ist sogar ein eigenes Unterrichtsfach.

Natürlich gibt es Handlungsbedarf beim Umgang mit dem Internet, insofern liegt die Bildungsministerin auch richtig, wenn sie aktiv wird. Nur die „digitalen Kompetenzen“ zu stärken, anstatt zuerst „Politische Bildung“ massiv zu forcieren, halte ich für den verkehrten Ansatz: Wir brauchen im Schulwesen endlich eine Gesamtreform statt ständig nur Reförmchen.

In diesem Zusammenhang verweise ich auf die bereits seit langer Zeit bestehenden Unterrichtsprinzipien „Medienerziehung“ und „Politische Bildung“, die ganz offensichtlich nicht zum gewünschten Ergebnis geführt haben und daher eine Neuausrichtung notwendig machen. Ministerin Hammerschmid betreibt hier nun eine Politik, die am einen oder anderen Schräubchen dreht, aber nicht darauf reagiert, dass der ganze Motor nicht funktioniert.

Es bestehe seit Jahren ein weitgehender Konsens darüber, dass die Einführung eines Pflichtfaches „Politische Bildung“ notwendig ist. Die Umsetzung ist aber von Seiten der Regierung immer wieder mit dem Hinweis gescheitert, dass es dafür nicht ausreichende Mittel gäbe. Es ist unumgänglich, in einem Gesamtkonzept auf die gesellschaftlichen Herausforderungen zu reagieren und in Schulen, aber auch in der Erwachsenenbildung entsprechende Schritte zu setzen: Wenn wir „Digitale Kompetenzen“ vor allem außerhalb der technischen und anwendungsbezogenen Komponenten in Richtung eines demokratischen und ethischen Bewusstseins stärken wollen, wie die Ministerin heute betont hat, müssen Bildungseinrichtungen zuallererst den Auf- und Ausbau von politischen Kompetenzen fördern. Das ist nämlich die zentrale gesellschaftliche Herausforderung, der wir uns umgehend stellen müssen, bevor die Demokratie den Bach hinunter geht.

19. Juli 2016

TTIP-Propaganda und Lobbyismus an Österreichs Schulen


2016-07-19T13:27:19+02:0019.07.16, 11:26 |Kategorien: Bildung|Tags: , , , , |

lobbyismusIm Mai wurde mir von empörten Eltern zugetragen, dass im Rahmen der Aktion „Europa an Deiner Schule“ an einem Wiener Gymnasium eine TTIP-Propagandabroschüre von einer Mitarbeiterin des Außenministeriums kommentarlos an die SchülerInnen verteilt wurde. Die Qualität der Broschüre ist unterirdisch und widerspricht den allgemeinen Unterrichtszielen diametral, soferne die Inhalte im Unterricht nicht kritisch aufgearbeitet werden – und genau diese kritische Besprechung ist nicht passiert.

Ich habe dazu eine Anfrage an das Bildungsministerium gestellt – die Antwort ist gestern gekommen: Sie enthält ein unbefriedigendes Geschwurbel über die Ziele der Aktion, in deren Rahmen diese Broschüre verteilt wurde, trägt aber leider nichts zu einer Aufklärung bei. Die vom Ministerium formulierten hehren Unterrichtsziele und Möglichkeiten einer sinnvollen Unterrichtsgestaltung, die den Namen „Politische Bildung“ verdient, wurden im gegenständlichen Fall ignoriert. Daraus sind daher Konsequenzen zu ziehen, denn Lobbyismus, der einseitige Meinungsmache zugunsten einzelner Interessensgruppen betreibt, hat an Österreichs Schulen nichts zu suchen.

In diesem Zusammenhang verweise ich auf ein generell gröberes Problem: In der PISA-Studie 2006 wurde festgestellt, dass Österreich das Land ist, in dem der Einfluss von Wirtschaft und Industrie auf die Lehrinhalte in den Schulen von allen untersuchten Staaten am größten ist. Mir ist nicht bekannt, dass daraus auch nur geringste Konsequenzen gezogen wurden. Hier besteht also riesiger Handlungsbedarf seitens des Bildungsministeriums, was sich nicht zuletzt an der von mir beanstandeten TTIP-Propaganda gezeigt hat.

Wollen wir kritische BürgerInnen haben, muss die Arbeit zuvor an unseren Schulen geleistet werden. Und die besteht zweifellos nicht darin, bei Aktionen Verblödungsmaterial samt EU-Kapperl auszuteilen. Und einmal mehr zeigt sich, wie notwendig es ist, endlich ein Fach „Politische Bildung“ mit speziell ausgebildeten Lehrkräften einzuführen.

Tipp: Hier gibt es ein deutsches Diskussionspapier über Lobbyismus und Einflussnahme auf den Unterricht und was man dagegen tun kann.

Wofür ich stehe?

Ich stehe für soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles über meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, Anträge und Ausschussarbeit.


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